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es Bochäri oder, wie ihn die Kanori nennen, Buäri, der abgesetzte
Statthalter von Chadedja und Bruder dos jetzigen
Herrschers jener Stadt, sei. Bochäi'i war damals ein neuer
Name, nicht allein für mich, sondern seihst für die Eingeborenen
in den benachbarten Provinzen. Bochäri war Statthalter
von Chadedja gewesen, aber, gewandt und unruhigen Geistes,
hatte er den Argwohn seines Oberherrn, des Prinzen von
Sokoto, erregt, oder vielmehr seinem eifersüchtigen Bruder
war es gelungen, den Letzteren gegen ihn aufzustacheln, so
dass dieser den Bochäri ab- und an seiner Statt dessen
Bruder A’hmedu einsetzte. Demnach blieb Bochäri nichts
übrig, als den Schutz und die Gastfreundschaft der Kanori
anzusprechen; diese empfingen ihn mit offenen Armen und der
Herr von Maschena wies ilun mit Zustimmung seines Oher-
lierrn, des Scheich von Bdmu, einen benachbarten Platz Namens
Yerimari als Wohnort an. Es ist dies ein sehr häufig
vorkommender Fall in diesen nur lose verbundenen Reichen,
die, wenn auch nicht in der Form, so doch der Sache nach
ganz mit den Lehnsreichen im Mittelalter übereinstimmen.
Namentlich unter denFulbe, bei denen sehr oft ein Bruder den
tödtlichsten Hass gegen den anderen nährt, kommen solche
Verhältnisse vielfach vor. Schon bei Kätsena habe ich ein
ganz entsprechendes Beispiel zu erwähnen gehabt. Bochäi'i
hatte einige Zeit ruhig an dem ihm von seinem neuen Schutzherrn
angewiesenen Orte zugebracht, dabei aber seinen Anhang
verstärkt und war unter der Hand von dem Vezier von Börnu
mit Waffen und Mannschaft unterstützt worden. So vorbereitet
und seiner Sache gewiss, war er eben jetzt im Begriff, gegen
seinen Bruder aufzubrechen, um sein Glück im Kampf mit
ihm zu versuchen. Er war gestern ausgerückt, hatte sein Lager
im Freien aufgeschlagen und Hess die Trommeln rühren,
um so viel Abenteurer wie möglich um sich zu sammeln.
Raubziiglerische Einfälle sind nichts Neues in diesen Gegenden,
wo mehrere Provinzen und ganz geschiedene Reiche
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Die Schicksale BocliSri’s. 197
im einander grenzen. Dies aber wurde, wie der Erfolg bewies,
ein bemerkenswerther Feldzug, der sich in diesem ganzen
Theile des Sudans fühlbar machte und der Anfang schwerer
Sorgen für den ganzen umliegenden Landstrich wurde.
Denn nachdem Bochäri die sehr starke, doppelt befestigte
Stadt Chadedja *) glücklich erobert und seinen Bruder ge-
tödtet hatte, fand er sich nicht allein kräftig genug, sich in
seiner neuen Lage selbst zu vertheidigen, indem er alle gegen
ihn gesandten Heere und unter diesen die ganze Militärmacht
des Reiches Sokoto, welche vom Vezier selbst gegen ihn
geführt wurde, in die Flucht schlug, sondern verbreitete auch
Schrecken und Zerstörung bis an dieThore vonKanö. Ich werde
bei der Schilderung meiner zweiten Reise durch diese Landschaften
die traurige Pflicht haben, den Zustand des Elends in
Gegenden zu beschreiben, welche sich bei meiner ersten Reise
in blühenden Verhältnissen befanden und dicht bevölkert waren,
aber bald darauf durch diesen kriegerischen Häuptling
verheert und verwüstet wurden. Denn, anstatt ein starkes Königreich
zu gründen und sich als einen grossen Fürsten zu
zeigen, zog es Bochäri vor, gleich den meisten seiner Landsleute,
seine Macht auf die Zerstörung und Verwüstung der
Nachbarländer zu gründen und sich selbst zum Sklavenhändler
im Grossen zu machen. Tausende von Unglücklichen, un-
beschützt in ihrem Wohlstand von trägen und verweichlichten
Herrschern, sind aus der .Hand Bocliäri’s in die des Sklavenhändlers
übergegangen.
Aufgeregt durch den kriegerischen Lärm und mit nicht eben
beruhigenden Betrachtungen über die Schwäche unserer kleinen
Reisegesellschaft bei so unfriedlichem Zustande des zu
durchwandernden Landstriches, zogen wir schweigend unseres
Weges. Auch der Charakter der Landschaft selbst hatte
*) Weiter unten werde ich. die Strasse von Kanö nach Chadedja mit der
von mir durchzogenen in Verbindung setzen,