YII. Kapitel.
wollen, dass die Fürsten von Känem vor der erwähnten Periode
mit dem Stamme der Sseu nicht in Berührung gekommen
wären. Der Grund, warum die Chronik, selbst in ihrer verzweifelt
trockenen und unfruchtbaren Aufzeichnung, den Stamm
nicht länger mit Stillschweigen übergehen konnte, liegt darin,
dass derselbe in einer Periode von 3 Jahren vier auf einander
folgende Könige besiegte und tödtete. Die Orte, welche von
dem Verzeichnisse als diejenigen angegeben werden, wo die
drei ersten dieser Fürsten erschlagen wurden, können nicht
mit unbedingter Gewissheit identificirt werden; was aber
Nänirham betrifft, wo Mohammed ben rAbd Allah getödtet
wurde, so ist gewiss, dass es unmittelbar an, wahrscheinlich
sogar in dem Landstrich der Sseu selbst lag. Nach dieser
Zeit erfahren wir nichts in Bezug auf diesen Stamm bis zur
Zeit des Edriss Alaöma, obwohl es ziemlich wahrscheinlich
ist, dass Edriss Nikälemi, der Nachfolger Mohammed’s ben
'Abd Allah und der Zeitgenosse Ebn Batüta’s, ehe er im
Stande war, in Ruhe seinen Thron einzunehmen, erst einen
Sieg über die Sseu erkämpfen musste.
Wenn wir nun den gesammten Gehalt der Geschichte Bor-
nu’s betrachten, so können wir die folgenden Epochen unterscheiden.
Zuerst nach einem dunkelen Ursprung in den wüsteren
Landschaften von Berdoa — Borgu — das Wachsen
der Macht in Känem mit der Hauptstadt Ndjimie schweigsam
und unwahrnehmbar, bis wir plötzlich im Anfänge des zwölften
Jahrhunderts durch den Impuls des Isslams den mächtigen
Fürsten Dünama, den Sohn Hume’s, des ersten Moslem
dieser Königsreihe, mit der Stärke eines jungen und kräftigen
Reiches emporschiessen und seinen Einfluss bis Egypten ausdehnen
sehn. Sein Platz füllt die ganze erste Hälfte des
zwölften Jahrhunderts aus. Der Gipfel der Macht unddieBlüthe
des Glückes dieser Periode fällt zusammen mit der Regierungszeit
des Dibbalämi Dünama Sselmämi, in der Mitte des
Abriss der Geschichte Börnu’s.
dreizehnten Jahrhunderts, gleichzeitig mit der Dynastie der
BenI Häfiss in Tunis.
Diese Regierung aber enthielt schon die Keime des Verfalles
; denn während derselben wurden die beiden nahe verwandten
Elemente, aus denen das Reich bestand, nämlich die
Teda und die Kanöri, auseinandergerissen und feindlich einander
gegenübergestellt. Eben um den vielseitigen Ansprüchen
zu genügen und nach allen Seiten hin sich glei«h kräftig zu gestalten,
räumte diese Regierung dem aristokratischen Elemente
zu viel Einfluss ein, das durch die zwölf grossen Ämter vertreten
war, ein Institut von dem höchsten Interesse in der wunderbaren
Erscheinung dieses g r o s s e n Binnen-Afrikanischen Reiches.
Die Folge der zu gewaltsamen und tollkühnen Politik
des Königs Dibbalämi, die den Talisman Bornu’s zerstörte,
war eine Reihe der blutigsten Bürgerkriege, verbunden mit
häufig sich wiederholenden Königsmorden und nur auf eine
Weile unterbrochen von der ruhigeren Regierung Ibrahim
Nikälemi’s in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts,
die gleichsam nur dazu diente, der nachfolgenden
unglücklichsten Periode des Reiches noch stärkeres Relief zu
verleihen. Denn der Schwäche der Unterdrücker sich bewusst,
brach die eingeborene gewaltige Völkerschaft der Sseu hervor,
besiegte alle Heere der Kanöri und tödtete vier Könige
nach einander in dem Zeitabschnitt von weniger als ebenso-
vielen Jahren. Jedoch eben das Unmaass des Unglückes scheint
den Stamm der Eroberer wieder zu sich gebracht zu haben,
und in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, als Elm Ba-
tüta, der grösste aller Arabischen Reisenden, hart an den
westlichen Grenzen des Reiches vorbei, von seiner Wanderung
durch den Sudan in seine Heimath zurückkehrte, folgte ein
Augenblick der Ruhe; aber der Sohn eben desselben Königs
Edriss, der damals Bomu beherrschte, fiel als erstes Opfer in
dem Kampfe, der sich nun erhob, und zwar mit einer furchtbareren
Macht, als selbst die Sseu entwickelt hatten; denn auch