XII. KAPITEL.
Die Grrenz 1 a n d s c lia ft d e r Marghl.
[Freitag, 6'ten Juni.] Jetzt endlich traten wir unsere Reise
in ernster Weise an; bisher war es eitel Spielerei gewesen
und wir waren trotz unserer langen Abwesenheit von Kükaua
kaum vom Flecke gerückt. Ibrahima hatte sich indessen
nach seines Herrn Unterthanen, die in die Sklaverei geschleppt
worden waren, auf allen benachbarten Dörfern emsig
umgethan, aber der Erfolg war keineswegs günstig gewesen.
Unsere Strasse führte nahe bei Udje Ka-ssükulä vorüber,
aber es sah heute ganz verlassen und öde aus; alle
Marktbuden, gestern so voll von regem Leben, waren' leer.
Dann betraten wir eine volkreiche Gegend mit sehr vielen
Dörfern und schönem Weideboden; hier fiel mir das von den
Fulbe „wälde” genannte Kraut auf.
Während ich in Kükaua Nachrichten über das Land einsammelte,
welches ich zu besuchen beabsichtigte, hatte ich
grosse Mühe, von meinen Berichterstattern zu erfahren, ob
Schnee auf den Bergen sei, oder nicht, und nie gelang es
mir, Gewissheit über diesen interessanten Punkt zu erlangen,
da keiner von den Eingeborenen nördlichere Gegenden besucht
hatte, so dass er das im Norden Gesehene mit den
Erscheinungen seiner Heimath hätte vergleichen können.
Ahmedu Bel Medjüb kannte allerdings den Deren oder sogenannten
Atlass und hatte den Schnee auf manchen Gipfeln
jener Kette gesehn, aber er hatte diesen Gegenstand auf
seinen Reisen in Adamaua nicht mit grösser Aufmerksamkeit
beachtet und fühlte sich nicht berechtigt, die Frage zu
entscheiden. Diesen Morgen nun, als wir nochmals einen
Blick auf den Berg Dalantubä hatten, kamen wir wieder auf
den Gegenstand zurück, und nach Allem, was meine Begleiter
aussagten, durfte ich annehmen, dass ich wirklich Schnee
auf den höchsten Bergen Adamaua’s sehn würde. Demun-
geachtet stellte es sich heraus, dass ich im Irrthum gewesen;
denn sie hatten von Wolken oder vielmehr Höhenrauch gesprochen.
Unglücklicherweise hatte Billama einen anderen Weg eingeschlagen
als wir, so dass ich heute Niemanden hatte, der
mir die Namen der Dörfer, bei denen wir vorüberzogen, hätte
angeben können. Manche Geographen halten dies für eine
unwichtige Angelegenheit und es ist ihnen genügend, wenn
nur die Lage der Hauptplätze nach genauen astronomischen
Beobachtungen angegeben ist;, mir dagegen scheint der allgemeine
Charakter eines Landes, die Art und Weise, in welcher
die Bevölkerung eingerichtet ist, und die Natur und der
Charakter der Niederlassungen selbst einer der interessantesten
Gegenstände einer Reise durch ein neues, unbekanntes
Land zu sein.
Nachdem wir länger als 2 Stunden durch eine fast ununterbrochene
Scene regen Landbaues und dichter Bevölkerung
gezogen waren, betraten wir eine Strecke wilden, unan-
gebauten Landes; sie war hauptsächlich mit grossen, reich
belaubten Büschen der Tsäda bedeckt, deren Frucht der
Kirsche sehr ähnlich ist und mit ihrem angenehm säuerlichen
Geschmack nicht allein meinen Gefährten, sondern mir selbst
vortrefflich mundete. Diesem schmalen Streifen Wildniss folgte
indess bald wieder der Schauplatz menschlicher Thätigkeit,
und kurz ehe wir das Dorf Túrbe erreichten, das von einem
offenen, angebauten Strich Landes umgeben war, passirten
wir einen üppig aufgewachsenen Tamarindenbaum, in dessen