und wo manche Individuen' mehr als 1000 Sklaven besitzen.
Ich war nicht wenig erstaunt über ein bemerkenswerthes
Exemplar des Affenbrodbaumes — „bökki” i—•, das ich hier
sah. Gleich am Boden nämlich gingen drei getrennte Stämme
von der Wurzel auseinander. Ich erinnere mich nicht, auf
meinen Reisen sonst etwas Ähnliches gesehn zu haben, obgleich
dieser Baum fast in der ganzen Breite von Central-
Afrika der gewöhnlichste Vertreter der Flora ist, sondern immer
steigt der ungetheilte Stamm zu ansehnlicher Höhe, zuweilen
selbst bis zu mehr als 50 Fuss, empor. Der ganze
niedriger gelegene Grund zur Rechten des Pfades ist während
des höchsten Wasserstandes des Flusses überschwemmt.
Wb hatten uns nun dem Bägele bis auf geringe Entfernung
genähert. Auch jetzt war sein Gipfel, obgleich keineswegs
hoch, in Wolken oder vielmehr Höhenrauch eingehüllt.
Dies soll gewöhnlich der Fall sein, und die Angabe dieser
Erscheinung in der dunkelen Sprache der Eingeborenen hatte
mich, während ich vor dem Antritt dieser Reise in Kukaua
einen Bericht von den mb über das Land bisher zugekom-
menen Angaben einheimischer Reisenden abfasste, zu der irr-
thümlichen Annahme verleitet, dass dieser Berg einen vulkanischen
Charakter habe. Er scheint hauptsächlich aus Granit
zu bestehen und hat eine' sehr rauhe Oberfläche, bestreut
mit, grossen unregelmässigen Blöcken, zwischen denen Baum
und Busch aufschiesst und dem Ganzen das Ansehn einer romantischen
Waldpartie verleiht. Von Südsüdost nach Nordnordwest
beträgt seine Länge mehrere Meilen und schliesst
manche kleine Stelle anbaufähigen Landes ein, das 18 kleine
Weiler unabhängiger Heiden erhält, die, durch die schwer
zugängliche Lage ihrer Bergfeste und die mit ihrer eigenen
Kunstfertigkeit geschmiedeten Doppelspeere beschützt, bisher
nicht allein im Stande gewesen sind, alle Angriffe zurückzuweisen,
welche die in dem Bewusstsein des erst vor Kurzem
erlangten Isslam stolz sich überhebenden Fulbe Ada-
maua’s von ihrer so nahen Hauptstadt aus gegen sie gemacht
haben, sondern selbst von ihren Felssitzen herabsteigen und
täglich Raubzüge gegen die Viehheerden ihrer unversöhnlichen
Feinde unternehmen*), Einen von den kleinen Weilern dieser
kriegerischen Bergbewohner konnten wb deutlich erkennen,
wie er gerade über dem Kranze steiler Felsklippen in natürlicher
Sicherheit dalag, indem die Hütten mit ihren jüngst
ausgebesserten weissen Rohrdächem sich von den dunkelen
Felsmassen kenntlich ablösten.
Das Land gewann immer mehr an Interesse, je weiter wir
vorrückten, und der schöne frische Weideboden bedeckte sich
mit lebenden Wesen jeder Art: Rindvieh, Pferde, Esel, Ziegen
und Schaafe belebten in bunter Mannichfaltigkeit der
Farben und Gestalten den grünen Teppich. So erreichten
wb die östlichste Gruppe der Hütten eines grossen, sich weit
ausbreitenden Dorfes oder Gaues Namens Ribägo oder, wie
es gewöhnlich genannt wbd, Ribäö **), der sich zu unserer Linken
auf etwas ansteigendem Boden ausbreitete. Diese Ortschaft
ist nicht allein reich an Korn und Weide, sondern
*) Ich habe gewünscht, diesen Satz meines Tagebuchs nicht zu ändern,
wiewohl er einen Zustand der Dinge beschreibt, welcher jetzt, im Jahre 1856,
der Vergangenheit angehört. Wirklich ist auch diese Bergfeste endlich von
den Eindringlingen erobert und der'Sitz menschlicher Glückseligkeit und politischer
Unabhängigkeit in eine Einöde verwandelt worden. Zwei Jahre nämlich
nach meiner Reise nach Adamaua, im J. 1853, rückte Mohammed Loel
mit einer ansehnlichen Heeresmacht aus seiner Hauptstadt und schwur, dieselbe
nicht eher wieder betreten zu wollen, bis er die Bewohner des Bägele
zur Unterwerfung gezwungen habe. Nach einer Belagerung von fast 2 Monaten
gelang es ihm wirklich, mit Hilfe einiger Flinten, da ihn ein paar Araber
begleiteten, die Bergbewohner zu bewältigen und zu Sklaven zu machen.
— Der Häuptling der Bägele, die eine Abtheilung der Bätta bilden, soll in
der Blüthe seiner Macht unumschränkte Gewalt über die benachbarten Stämme
ausgeübt und sogar das „jus primae noctis" besessen haben, selbst, wie man
mich versichert hat, über die damals noch als Rinderhirten im Lande zerstreuten
Fulbe.
**) „Ribägo” bedeutet „Landsitz eines Statthalters”.