408 X. Kapitol.
Gras, so dass unsere Pferde auf’s Äusserste angestrengt wurden,
während mir selbst diese reiche Fülle und Frische nach
meiner trockenen und einförmigen Reise durch die bisher besuchten
Gegenden dieses Festlandes ein grosses Behagen gewährte.
So erreichten wir eine andere Bucht Namens Dimbeler.
Hier war ich so glücklich, zwei kleine Boote der Büdduma,
wie die Kanori sie nennen, oder, nach ihrer eigenen Benennung,
der Yedinä, der berühmten Piraten des Tsäd, zu sehn. Es waren
kleine, flache Boote, aus dem leichten, schmalen Holze
des Fögo - gemacht, etwa 12 Fuss lang und jedes von zwei
Männern regiert. Sobald uns die Leute erblickten, stiessen sie
ihre leichten Fahrzeuge vom Ufer ab; ohne Zweifel waren
sie auf Menschenraub ausgegangen. Da wir Leute aus den
benachbarten Dörfern gesehn, die Schilf schneiden wollten,
um ihre Dächer auszubessem, ehe die Regenzeit eintrat,
so gaben wir ihnen, bevor wir unseren Marsch fortsetzten, erst
einen Wink von der Gegenwart jener beständigen Feinde der
Uferbewohner dieses Sumpfwassers, damit sie auf ihrer Hut
sein möchten; denn es war ihnen unmöglich, die Bootsleute
hinter dem dichten Schilfwalde, womit die Ufer und das angrenzende
Land überwachsen sind, zu sehn.
Dann setzten wir unseren Wassermarsch fort. Die Sonne
schien nun mit grösser Gewalt, aber eine leichte kühlende
Brise kam über die weite Sumpf lache daher und machte die
Hitze erträglich. Wir hatten Wasser genug, um unseren
Durst zu löschen, ja mehr, als wir wirklich brauchten; denn
wir durften uns nur niederbeugen, um vom Pferde aus
das Wasser mit dem Munde zu erreichen, so tief ritten wir
hinein. Doch war es sehr warm und voll Pflanzenstoff und
daher keineswegs erfrischend; es ist ganz süss, so süss, wie
nur Wasser sein kann. Es scheint in der That ein blosses
Vorurtheil zu sein, welches in Europa zu dem Schlüsse geführt
hat, dass dies Central-Afrikanische Becken entweder
einen Ausfluss haben, oder Salzwasser enthalten müsse. Ich
Der Tsäd, ein Süsswassersee.
kann bestimmt versichern, dass es keinen Abfluss hat und
dass sein Wasser doch ganz süss ist; ich kann auch nicht wohl
begreifen, woher ein Salzgeschmack in einer Landschaft kommen
sollte, die selbst kein Salz hat und in welcher der
Kräuterwuchs so arm an salzigen Bestandtheilen ist, dass die
Milch von Kühen und Schaafen sehr geschmacklos und in
Folge dessen weniger gesund ist, und .wo die Kameele nur
durch eine gelegentliche Dose von Salz erhalten werden können.
Allerdings gibt es viele Örtlichkeiten rund um diese grosse
Lache umher, deren Boden mit Natron geschwängert is t ; da
findet sich denn natürlich in den Vertiefungen, wohin das Wasser
bei der Überschwemmung der Lache tritt, zu Zeiten eine
starke Beimischung desselben. Aber auch das ist nur der
Fall, wenn die Becken eine geringe Tiefe haben, während,
wenn sie voll sind, der ursprüngliche Charakter des Wassers
sich erhält und durchaus süss ist.
Während wir über diese üppige Sumpfebene hinritten,
schreckten wir grosse Heerden „kelära” auf; in mächtigen
Sprüngen über die - hohen Binsenmassen dahineilend, dann
sich in’s Wasser stürzend und so manchmal schwimmend,
manchmal in weiten Sprüngen dahinstürmend, verschwanden
sie bald in der Ferne. Es ist eine besondere Art Antilope, die
mir nirgend, ausser unmittelbar an den Ufern dieser Lache,
vorgekommen ist. Ihre Farbe ist sehr hübsch, der des Rehes
ähnlich, mit einem weissen Streifen unter dem Leibe; aber die
Kelära ist weit weniger schlank, ziemlich stämmig und ausserordentlich
fett, was indess weniger ein besonderer Charakterzug,,
als vielmehr Folge der reichen Nahrung sein dürfte,
welche^ sie hier findet. Es mag eine Abart der Antilope
Arabien sein; denn die Araber und diejenigen Eingeborenen,
welche etwas Arabisch verstehen, legen ihr denselben Namen
be i: „el äriel”.
Etwa um Mittag kamen wir an eine andere Bucht, welche
den Büdduma gelegentlich als Hafen dient und „Nghülbeä”
Ba rth ’s Reisen. EL g g