sie zu schnell vorbei, während wir die entgegengesetzte Richtung
nahmen, um die Worte des Gesanges genau zu hören.
Gewiss würde es interessant gewesen sein, sie niederzuschreiben,
um zu sehn, inwieweit diese Araber, die schon so
manches Jahrhundert von ihren Brüdern im Osten getrennt
sind, ihre alten Sitten und Gebräuche bewahrt haben.
Das Land zu unserer Linken und Rechten wies einen
auffallenden Gegensatz auf; denn während dort Kornfelder,
schöne Weidegründe und Dörfer einander abwechselten, breitete
sich auf der Rechten ein ungeheuerer Ghadir oder Firki
bis in unübersehbare Ferne aus; augenblicklich war er noch
trocken und nur hie und da mit etwas grobem Kraut schwach
bedeckt. Zu früher Stunde am Nachmittag wandten wir uns
ein wenig vom Pfade ab und betraten das Dorf Kaliluä
Gremarl, das 'Abd e’ Rahmän gehört, dem nächsten Bruder
des Scheich 'Omar. Die Aufnahme jedoch, die wir hier hei
den im Schatten eines Gummi-Elasticum-Baumes — „dje-
dja” —, der ihren Versammlungsplatz — „fage” — bildete, mit
Mattenflechten beschäftigten Einwohnern fanden, bewies zu
deutlich, dass wir das ungastliche Gebiet der Umgebung der
Hauptstadt betreten hatten. Indem sie mit grösser Kälte
die Bemerkung machten, dass die Sohne noch hoch am Himmel
stehe und uns in den Stand setze, noch einen guten
Marsch nach einem anderen Orte zu machen, wollten sie nichts
davon hören, uns Quartier in ihrem Dorfe zu geben. Aber
mein Geleitsmann liess nicht so mit sich sprechen, und indem
er ohne Weiteres durch ihre Mitte hindurchritt, nahm er von
einer der besten Hütten für mich Besitz. Allerdings konnte
ich ein so gewaltthätiges Benehmen nicht billigen, besonders
da die Einwohner von ihrem gnädigen Herrn stark mitgenommen
zu sein und kaum ein Huhn zu besitzen schienen,
geschweige denn eine Kuh; aber ich fühlte mich zu schwach
um in dieser Jahreszeit eine Nacht auf dem feuchten Boden
im Zelte zuzubringen.
Am Abend vergnügte ich mich eine Weile sehr an dem
geräuschvollen Lärm in einer ganz nahe bei meiner Hütte
gelegenen Knabenschule — „makärantschl” — , wo um ein
Feuer herum 6 bis 7 Knaben ein Paar Verse aus dem Ku-
ran, die sie ihr Lehrer am Tage hatte lesen lernen, mit der
höchsten Kraft ihrer Stimme und den unsinnigsten Verdrehungen
wiederholten; den Sinn derselben verstand der
Schulmeister wahrscheinlich ebenso wenig wie seine Schüler.
Wie sich der Lärm aber in die Länge zog, ward er
unerträglich. Man meint gewöhnlich, dass in Europa ein
Schulknabe zu sehr geplagt werde; diese armen Afrikanischen
Buhen aber werden bei dem Wenigen, was sie lernen, fast
noch mehr geplagt. Wenigstens habe ich sie oft in der kalten
Jahreszeit, kaum mit einem Lumpen bedeckt, schon um
4 Uhr Morgens, um ein elendes kleines Feuer hockend, ihre
Lektion lernen sehn; dabei haben sie ihren Schulmeistern
alle möglichen Dienste zu leisten und werden von ihnen oft
nicht besser als Sklaven behandelt.
[Mittwoch, 2 3 stm Juli.] Die Landschaft, durch welche unser
Weg am Morgen führte, zeigte mehr Weide- als Ackerland
und war daher mehr für die wandernden Schüa mit ihren Heer-
den, als für die ansässigen, ackerbautreibenden schwarzen Eingeborenen
geeignet. Auch waren wir gar nicht weit marschirt,
als wir zur Linken einen kleinen zeitweiligen Schüa-Weiler
— „berl Schüabe”. wie die Kanöri diese Viehhürden nennen —
sahen; wir wandten uns dahin, um zu versuchen, oh wir einen
Trunk Milch bekommen könnten. Dieser „berl” gehörte den
Kohaleml, und für 3 grosse Glasperlen in reichem Farbenschmuck
(daher „nedjüm” — „die Sterne” — genannt) erreichten
wir unseren Wunsch.
Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich von Billama, dass die im
Bezirke von Udje angesessenen Schüa zum Stamme der Ssä-
radji gehören, während weiter östlich die Ssugüla und noch
weiterhin die Ssalamät ihre Weidestätten haben. Ich werde