272 YI. Kapitel.
Gebrauche mitgenommen hatte. Dass ich dem Fürsten dieses
Buch zum Geschenk machte, dürfte von vielen Personen
mit ungünstigem Auge angesehn werden; doch sollten sie erwägen,
dass es vielmehr ein Zeichen eines vorurtheilsfreien
Sinnes und ein Beweis sehr hoher Achtung für mich war,
dass er, obwohl ihm bewusst war, ich sei ein Christ, und obwohl
gut bekannt mit der ganzen Lehre des Isslam, sich nicht
weigerte, aus meinen Händen das anzunehmen, was in seinen
Augen das Heiligste ist. Im Ganzen hätte ich in der That
keinen freundlicheren Empfang, weder vom Scheich, noch vom
Vezier, erwarten können; es hlieb aber noch ein sehr zarter
Punkt übrig, den ich nothwendigerweise berühren musste: was
war aus Herrn Richardson’s Sachen geworden?
Die ersten Begrüssungen waren nun vorüber; jetzt musste
dieser Gegenstand zur Sprache kommen. Ich machte daher
am Nachmittag einen zweiten Besuch beim Vezier und ersuchte
ihn darum, das Verzeichniss all der Sachen einzusehn, die
mein verstorbener Gefährte hinterlassen; er zeigte es mir und
las es selbst vor. Darauf befahl er, den Koffer zu öffnen,
welcher Herrn Richardson’s Kleider und Papiere enthielt, und
ich war erfreut, zu finden, dass nicht nur seine Tagebücher,
die er gleichsam im Vorgefühl, dass er die Heimath nicht
wiedersehn sollte, mit grösser Sorgfalt gehalten, sondern auch
alle seine übrigen Sammlungen' wohlerhalten waren. Der
Vezier hatte mit grossem Interesse im Arabischen Tagebuch
Yussuf Muckeni’s umhergeblättert und einige der interessanteren
Scenen unserer Reiseabenteuer, im Orientalischen Style
dargestellt, aufgefasst.
Beim Fortgehn nahm ich das Verzeichniss mit und sandte
am folgenden Tage Mohammed-ben-Bü-Säd mit dem Ersuchen
an den Vezier, mir Herrn Richardson’s sämmtliches
Gepäck auszuliefern. Da ich gebeten wurde, mich in Person
einzufinden, ging ich Mittags hin, wurde aber überrascht,
nur Lamino — so sprechen die Eingeborenen den eigentlich
„el Amin” lautenden Namen aus —, des Veziers vertrauten
Diener, zu finden, von dem ich später noch zu sprechen
haben werde. Noch mehr war ich erstaunt, als nur ein
Theil von Herrn Richardson’s Kisten gebracht wurde und
man mich bedeutete, ich möchte, was ich wünschte, herausnehmen
und das Übrige zurücklassen. Dies verweigerte
ich und fragte, wo die anderen Sachen wären, worauf
Lamino ohne Zaudern erklärte, dass die reichgeschmückte
Flinte und das Paar hübscher Pistolen verkauft seien. Bei
dieser Nachricht konnte ich, trotzdem dass ich bei meiner
Ankunft sehr freundlich und gastfrei behandelt worden war
und obgleich ich einen Überfluss von Mundvorrath aller- Art
erhalten hatte, nicht umhin, zu erklären, dass, wenn sie in
Wahrheit so gewissenlos mit anderer Leute Eigenthum umgegangen
wären, ich ferner hier nichts zu thun hätte, und
damit ging ich nach meiner Wohnung zurück.
Meine Festigkeit hatte den gewünschten Erfolg und ich
erhielt spät Abends vom Vezier die Botschaft, dass, wenn
ich eine geheime Zusammenkunft mit ihm zu haben wünsche,
ich jetzt zu ihm kommen möchte, da er am Tage stets durch
die Gegenwart einer grossen Menge Leute belästigt sei. Der
Mann, welcher mir diese Botschaft brachte, war Hadj Edrlss,
eine eigenthümliche Persönlichkeit, von welcher ich im Verlauf
meiner Reisebeschreibung wiederholt zu sprechen haben werde.
Wohlzufrieden damit, eine Gelegenheit zu haben, ohne Rückhalt
mit dem Vezier zu sprechen, folgte ich seinem Boten
und fand Hadj Beschir ganz allein im inneren kleinen Hofraum
seines Hauses, der von zwei kleinen Wachskerzen spärlich
erleuchtet war. Wir hatten eine lange Unterredung, die
bis Mitternacht dauerte und deren Resultat war, dass ich
förmlich dagegen protestirte, dass von den von Herrn Richard-
son hinterlassenen Sachen irgend etwas verkauft werde, dass
dieselben im Gegentheile an mich und Herrn Overweg, sobald
der Letztere ankäme, ausgeliefert werden sollten. Dann
B a r th ’s Reisen. I I. gtjl