das Leben. — Ich werde ein ganz ähnliches Beispiel bei
der Beschreibung meiner späteren Reise durch Mimio zu erwähnen
haben.
Auch die gefiederte Welt zeigte hier eine grosse Mannich-
faltigkeit; aber der schöne blaue Sserdi liess sich nicht
sehn. An seine Stelle traten der Kalo und die Tsirna.
Eine Viertelstunde nach Mittag passirten wir den Ort Dan-
Ssábua. Er ist von einem Pfahlwerk umgeben und von ansehnlichem
Umfang, aber ausser einem jetzt leeren Marktplatze
mit Buden zeigten sich wenig Spuren von Leben und
Industrie; auch war rings umher fast kein Anbau zu sehn.
Als ich nach 8 Jahren wieder diese Strasse zog, war Dan-
Ssäbua fast verlassen.
Etwa 2 Meilen weiterhin passirten wir einen kleinen, runden,
bis zum höchsten Gipfel hinauf mit Unterholz bedeckten
Hügel; da er als Grenzzeichen zwischen den Provinzen
Kátsena und Kanö galt, war er von einiger Bedeutung. Im
Jahre 1854 indess fand ich, dass die Grenze weiter nordwestlich,
nahe bei Kaférda, angenommen ward. Ob diese Verschiedenheit
einer späteren Abänderung oder der Unwissenheit
meiner früheren Berichterstatter zuzuschreiben ist, kann
ich nicht bestimmen.
Wir lagerten uns zeitig am Nachmittag bei dem Dorfe
Gúrso, von welchem wir nur durch eine aus Gemüsegärten
bestehende Einsenkung getrennt waren. Hier wurden Waizen
und Zwiebeln gezogen und wir konnten von letzteren einen
guten Vorrath bekommen; aber weiter erstreckte sieh die
Leistbarkeit von Gúrso nicht, nicht einmal ein einziges
Huhn war zu sehn oder zu hören. In der Nacht wäre es
einem Diebe beinahe gelungen,, von unserem Gepäcke Einiges
fortzuschleppen; er ergriff aber, da er entdeckt wurde, eilig
die Flucht, um sein Leben zu retten.
Frühzeitig am nächsten Morgen brachen wir mit Begeisterung
auf; es beseelte uns die Hoffnung, den berühmten Mittelpunkt
des Handels im mittleren Sudan vor Einbruch der
Nacht zu erreichen. Kanö ist in der That ein Name, der
bei jedem Reisenden in diesen Gegenden, aus welcher Himmelsrichtung
er auch kommen mag, Enthusiasmus hervorruft,
namentlich aber, wenn er' von Norden kommt.
Es war noch dämmerig, als wir uns aufmachten. Zuerst
führte uns unser Weg durch dichtes Buschwerk, welches
das Weideland schmückte. Rinderlieerden, die während der
Nacht frei auf den Feldern geblieben waren, zeugten von
einiger Sicherheit. (Die Eingeborenen, die zur Fortschaffung
ihrer Habe meist auf Lastochsen und Esel angewiesen sind
und gern die Tageshitze vermeiden, reisen viel bei Nacht.)
Der Pfad war belebt von mehreren kleineren und grösseren
Zügen von Reisenden, und wir wurden daher verleitet, die
Entfernung von der Hauptstadt viel geringer anzuschlagen,
als sie in Wirklichkeit war.
In freudiger Erwartung lauschten wir auf die Erzählungen
unseres freundlichen und aufgeweckten Begleiters, des „babä-
n-baüa” aus Täghelel, der sich mit gemüthlicher Beredsamkeit
über die Wunder dieses Afrikanischen Londons verbreitete. Die
ungeheuere Ausdehnung der Stadt, die Grösse des Palastes
und die zahllose Mannschaft des Statthalters, die dichte Menschenmasse,
die alltäglich auf dem Marktplatze' einherwoge,
der Glanz und Reichthum der feilgebotenen Waaren, die
Verschiedenheit der Delikatessen, die Schönheit und Anmuth
der Frauen — das Alles wurde gerühmt und gepriesen, so
dass mein feuriger Tunesischer Freigelassener oft aus blossem
Vorgenuss der seiner wartenden Freuden laut aufjauchzte.
Rüstig ging es vorwärts. Mit etwa 5 Meilen Weges erreichten
wir die bedeutende Stadt Betschi, deren wohlgehaltene
hohe Thonmauer plötzlich aus der Fülle eines höchst üppigen
Pflanzenwuchses hervorbrach. In dem Dickicht sahen wir unseren
vornehmen und prächtig gefiederten Freund, den Sserdi,
wieder, wie er von Ast zu Ast, von Baum zu Baum flatterte.