IX. KAPITEL.
D ie H a u p t s t a d t des Re i c h e s Börnu.
Nachdem ich im vorhergehenden Kapitel versucht habe,
dem Leser ein grösseres Interesse am Lande einzuflössen, indem
ich seine frühere Geschichte, so weit ich im Stande war,
sie zu ermitteln* ihm darlegte, will ich nun in wenig Worten
die Anschauungen und Erfahrungen zusammenfassen, die ich
während meines Aufenthaltes in Kükaua, ehe ich nach Ada-
maua aufbrach, sammelte.
Indem ich Kükaua, das schon der früheren Expedition
länger als ein Jahr zum Aufenthalte gedient hatte, nur
als eine Basis zu ferneren Unternehmungen betrachtete,
suchte ich so'viel Nachrichten als möglich über die umliegenden
Länder einzusammeln, um so meinen Reisen eine bestimmtere
und erspriesslichere Richtung zu geben. Da ich
auf diese Weise den grössten Theil meiner Zeit zu Studien
und zum Sammeln von Mittheilungen verwendete, muss ich
vor Allem etwas über meine Freunde sagen, mit denen ich
ganze Tage in der lebendigsten Unterhaltung zubrachte. Zwei
derselben zeichneten sich durch bedeutende Mohammedanische
Gelehrsamkeit, durch die Genauigkeit, mit welcher sie
die von ihnen durchwanderten Länder beschreiben konnten,
und durch würdevollere Manieren aus; beide waren aber von
sehr verschiedenem Charakter und geriethen gewöhnlich in
einen sehr leidenschaftlichen Streit, so oft sie in meinem
Hause zusammentrafen.
Diese zwei Männer, denen ich eine grosse Menge interessanter
und zuverlässiger Nachrichten und eine gute Vorbereitung
für die Länder verdanke, die ich später selbst besuchte,
waren der Araber Ahmed bei Medjüb aus demjenigen
Zweige des Stammes der Ueläd Bü-Ssebä, welcher gewöhnlich
im Wadi Ssäkiet el hamra, südlich von Marokko,
lebt, und der Pullo Ibrahim, Sohn des Scheich el Muchtär
in Kaheide am Senegal und Vetter Mohammed el Amin’s,
des energischen Fürsten von Füta-Töro. Ahmed hatte fast
das ganze westliche Afrika, von Arguin am Ocean bis nach
Baghirmi, bereist und mehrere Jahre in Adamaua zugebracht.
Er war es, der-mir von diesem Lande die. erste
genauere Beschreibung gab, namentlich in Bezug auf die
Richtung der Flüsse. Er war ein verschmitzter, sehr verständiger
Mann, aber einer von denjenigen Arabern, welche die
Runde bei den Höfen aller Fürsten des Negerlandes machen,
welchem Glauben oder Stamme sie auch angehören mögen,
um sich einen kleinen Besitz zusammenzubetteln. Ich konnte
ihn nur wegen seiner Gelehrsamkeit hochschätzen, in jeder
änderen Beziehung war er mir .gleichgültig.
Eine ganz andere Persönlichkeit war der Pullo Ibrahim,
ein stolzer junger Mann, im vollen Bewusstsein der hervorragenden
Stellung seiner Nation und selbst ein ausgeprägtes
Beispiel ihres Charakters. Er hatte aus warmem religiösen
Gefühl, mit einer Beimischung von lobenswerthem Ehrgeiz,
eine Wallfahrt nach Mekka, von den Ufern des Atlantischen
Oceans durch den ganzen Afrikanischen Kontinent in seiner
grössten Breite, gemacht; denn er wusste wohl, dass eine
solche Grossthat ihn in den Augen seiner Landsleute zu hohem
Ansehen erheben und ihm eine angesehene Stellung im
Leben sichern würde. Er war zwei Jahre lang als Geissel
in Nder (St. Louis) gewesen und hatte einige Kenntniss von
den Europäern, wenigstens den Engländern und Franzosen.
Es war ihm aufgefallen, dass die Franzosen sich nicht so