Das Land in dieser Nachbarschaft zeigte deutliche Spuren
eines bedeutend vorgerückten Zustandes im Vergleich mit
demjenigen, von dem wir kamen. Das frische junge Gras
erreichte eineHöhe von 1£ Fuss, während das Korn— „daua’
(Sorghum) — in einem Felde schon 30 Zoll Höhe mass.
Das lieblich grüne Weideland war mit Tradescantien und
anderen Blumen geschmückt und ein prächtiges Exemplar
der „kängel” genannten Blume, die 8 Zoll im Durchmesser
mass, ward mir von Billama gebracht. Es war das einzige
Exemplar, welches ich auf meinen Reisen gesehn habe; aber
Dr. Vogel erklärte mir später, während unseres glücklichen,
aber kurzen Zusammenseins in Kükaua im Jahre 1855, dass
er die Blume gelegentlich am Fusse der Berghöhen inWän-
dala gesehn hätte.-
Indem wir die Hütten etwas im Rücken Messen, lagerten
wir während der heissen Tageszeit unter einem Tamarindenbaum
in einer unendhchen Fülle von Gras und Kraut, die
bei der Feuchtigkeit kaum für die Gesundheit zuträghch
sein konnte. Hier gab mir BiMama mit Hilfe meines alten
biederen Mallem Katöri folgende Liste der grösseren Ortschaften
des Marghl-Gebietes:
Köbtschi*) (der Hauptort des Landes), Molgheu, Issege,
Kuyüm (das auf dem längeren westhchen Wege von. U'ba
nach I'ssege liegt, eine Tagereise- von dem letzteren entfernt^
Müssa (etwa einen Tagemarsch von Kuyum), Dille, Wömde, La-
haula (der Platz, den ich sogleich zu besuchen hatte), Tscheräri,
Schaüa, Mode, Kirbet, Kibäk, Nssüda, Körade (alle nach
*) Dieser Ort ist schon in der Geschichte Edrlss Alaöma’s erwähnt (s. .oben).
Dort ist er Koftschi geschrieben, wie er auch von Vielen der Eingeborenen
ausgesprochen wird, da in allen diesen Sprachen die Laute f, b und p stets
mit einander vertauscht werden. Der Name scheint eigentlich nicht der des
Ortes, sondern der königliche Titel zu sein. Der allgemeine Ausdruck für
,,Häuptling” oder „Prinz” ist in der MarghT-Sprache „ibthä”, und „kobthi”
bedeutet wahrscheinlich „fürstliche Residenz” .
Westen und Südwesten gelegen). Mehr östlich sind die Ortschaften
Möda, Goram, Lügu, Tschämbelä (der Ort, den ich
früher erwähnte), Gulöb und Djü. WestsüdwestMch von
den Marghi leben die Bäbur oder Bäbir in kleinen Weilern
über eine gebirgige und, wie es scheint, reich vulkanische
Landschaft zerstreut*). Nur ihr Hauptsitz Biü, der nach
dem königHchen Titel ihres Häuptlings benannt zu sein
scheint,' ist dem Vermuthen nach von grösserer Ausdehnung.
Dieser Ort soll in gleicher Entfernung von Köfa Hegen, wie
Kükaua, und soll von ansehnlicher Grösse sein. Die Bäbur
haben in verschiedener Hinsicht ihre Unabhängigkeit bewahrt,
während sie in anderen Beziehungen angefangen haben,
dem vernichtenden und amaigamirenden Einflüsse ihrer
Mohammedanischen Nachbarn zu unterHegen, ganz auf ähnliche
Weise, wie die Marghi. Aber die Letzteren sind ihren
Stammverwandten, wie es scheint, an Muth überlegen; denn
an Verwandtschaft kann man nach den Sprachproben nicht
zweifeln.- -—
Als die Sonne angefangen hatte, sich abwärts zu neigen,
setzten wir imseren Marsch fort, um Lahaula zu erreichen,
wo wir die Nacht zuzubringen gedachten. Der unsichere
Zustand des Landes, durch das unser Weg führte, ward vollkommen
angezeigt durch den Umstand, dass jetzt selbst der
umsichtige und bedächtige Ibrahima die elende, schwache
Stute bestieg, die ihm Scheich'Omar zum Geschenk gemacht
und die er bisher wohlweislich verschont hatte. Auch vertauschte
er nun seinen Bogen mit einem Speer und gab sich
ein so kriegerisches Ansehen wie möglich.
*) Dr. Overweg gibt in dem leider nicht ausgeführten Tagebuche seiner
Reise nach dem höchst interessanten Palmenorte Flka vier Hauptortschaften
der Bäber an, nämlich Kogo (oder Koger), Fadem, Multa und Gim, und als
die drei Machthaber im Lande den Mai Märi in Fadem, Mai Doi (jetzt todt)
zu Djlra und als den mächtigsten Mai fAli zu Koger. Sein Fadem scheint
mit meinem Biü identisch zu sein.