einen Winkel des Gehöftes zurück und waren nach ruhig verbrachter
Nacht zu leidlich früher Stunde zum Aufbruch bereit.
Der Charakter dieser Landschaft ist im Ganzen derselbe,
wie derjenige der Gegend, durch welche mein letzter Tagesmarsch
vor der Ankunft in Kanö führte: ein wohlbebautes
Land mit kleinen, hier und da zerstreuten Hüttengruppen
und vereinzelten 'Meiereien. Jedoch hatte, der reiche Boden
seine Fülle noch nicht erschlossen, das Ackerland lag noch
in Stoppeln da, und zwar von dem zahlreichen Rindvieh kurz
abgefressen, während das lange Rohr zum Hüttenhau und
als Brennmaterial verwendet worden war. Noch trug Alles
das abgetragene, verblichene Gewand des vergangenen Jahres
und eine gelblich-graue Färbung war über das ganze
Landschaftsbild ausgegossen. Auch die Waizenfelder, die auf
meiner Reise nach Kanö die wasserreichen Senkungen geschmückt
hatten, waren mittlerweile verschwunden'; denn das
Getreide war gereift und geerntet. Um so schöner stachen
dagegen einige Tabaksfelder mit dem frischen, erst leicht reifenden
Grün der grossen Blätter und der anmuthigen Blüthe
ab, die gegenwärtig den einzigen Blumenschmuck bildete, so
weit das Auge reichte. Es schien mir schon auffällig, hier
diese in der modernen Europäischen Civilisation so bedeutungsvolle
Pflanze zu finden; wie aber sollte ich erst erstaunen
, ihr als einem Hauptingredienz im Lehen der nackten
Heidenvölker zu begegnen!
Offen, wie die Landschaft war, gewährte sie einen freien
Blick in die Feme und es fiel nur eine in der Entfernung
nach Norden zu liegende Hügelkette in die Augen; jedoch
der Landschaft fehlte das Lehen. Die Viehheerden waren
in die in grösserer Entfernung liegenden Niederungen getrieben
und auch der Verkehr war gering. Ein Zug Natronhändler
war das Einzige, was wir sahen; sie kamen von Sinder;
Ochs und Esel, wie das stets im Negerlande der Fall
ist, gingen friedlich neben einander her.
Die Landschaft nahm nun stets an Anmuth zu, und wie
die von üppigen Bäumen beschatteten Felder von Tscharö
den Charakter äusserster Fruchtbarkeit und Ordnung an sich
trugen, so gewährten die rings umher zerstreuten netten
Hütten den Anblick eines in seiner Art behaglichen Lebens.
Wir hatten hier unser letztes Nachtlager nehmen sollen, und
mein Gefährte war vorausgesprengt, um sich des ihm gewordenen
Auftrages zu entledigen und wahrscheinlich ein gutes
Frühstück zum Ersatz für sein verlorenes Abendessen zu erlangen.
— Hinter Tscharö, das eher ein Bezirk oder Gau
als ein Dorf genannt zu werden verdient, schien der Landbau
weniger sorgfältig betrieben zu werden; vielleicht war
aber der Grund darin zu suchen, dass die Dörfer entfernter
von der Strasse lagen. ■—
Der ruhige Gang der Haussklaverei bei den Eingeborenen
bietet nur selten eine Seite dar, die das Gemüth des Fremden
’ aufreizt. Der Sklave wird gewöhnlich gut behandelt,
hat nur mässige Arbeit zu verrichten und wird häufig als
Familienglied betrachtet. Bei den Arabern dagegen begegnet
man täglich Scenen des Entlaufens von Sklaven, was
von ihrer harten und schlechten Behandlung zeugt; auch verkaufen
diese Leute gewöhnlich ihre Sklaven, selbst diejenigen,
welche seit längerer Zeit hei ihnen gewesen sind, wenn
nur eine vortheilhafte Gelegenheit sich darhietet. Obgleich
jedoch die Eingeborenen ihre Sklaven im Ganzen gut behandeln,
so war ich doch erstaunt, im Sudan so wenige im Hause
geborene Sklaven zu finden (ich nehme dabei die Imöscharh
oder Tuareg aus, die, genau genommen, ja kaum zum Sudan
gehören; denn diese Leute scheinen grosse Sorge für die
Fortpflanzung ihrer Sklaven zu tragen). Ich habe daraus geschlossen,
dass hei den Eingeborenen das Heirathen der
Sklaven sehr wenig ermuthigt wird, und glaube in der That
berechtigt zu sein, anzunehmen, dass einem Sklaven, so lange
er nicht seine Freiheit erlangt hat, nur sehr selten erlaubt
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