80 XI. Kapitel.
Reiches weit hinausgeht; denn während die Haussa-Sprache
sich der Syrisch-Afrikanischen Spracligruppe anschliesst, nähert
sich das Kanori eben so entschieden den Turamscbuu
Sprachen. Was Bello sagt, mag in gewisser Hinsicht von der
Bevölkerung Kanö’s gelten, welche in der That zum grossen
Theil aus Bornu-Elementen besteht, obwohl die Bewohner im
Laufe der Zeit die Haussa-Sprache sich angeeignet haben.
Dasselbe mag aber auch der 1 all mit anderen Provinzen sein.
Der Name „Bauü”, welcher in der mythischen Genealogie des
Haussa-Volkes als Stammvater fast aller Haussa-Staaten vorkommt,
kann kaum als eine blosse Personifikation des Zustandes
der Sklaverei, welchem die Nation ehemals angehörte,
angesehn werden *). Sklave heisst auf Haussa „baua ,
nicht „bauu”, obwohl es immerhin bemerkenswerth bleibt,
dass von ihm gesagt wird, er sei der Sohn Ivarbagari s, ein
Name, der unverkennbar den Einnehmer einer Stadt bezeichnet
oder vielmehr- die Thatsache der Einnahme selbst personificirt
und als Symbol der Einnahme der Stadt Biram, welche allgemein
als der älteste Sitz des Haussa-Volkes bezeichnet
wird, gelten könnte. Diese Tradition wird noch bis auf den
heutigen Tag durch ein eigenthümliches Vorrecht des ohnmächtigen
Gouverneurs des letztgenannten Städtchens anerkannt.
Die Stadt Biram liegt zwischen Iianö und Chadedja, nahe
bei dem Letzteren, und wird oft „Biram ta ghabbes **) oder
modernisirt „Biram-n-ghabbes”, „das östliche Biram”, genannt,
um sie von einer gleichnamigen westlicheren Stadt zu unterscheiden;
sie wird jetzt gewöhnlich „Garü-n-ghabbes” genannt
und soll von uns im weiteren Verlaufe unserer Untersuchungen
so angeführt werden.
Biram, die Personifikation dieser Stadt, soll durch seinen
*) Sultan Bello in seinem „ Infäk el mmiri fi ful-ha b'dud el Tebruri".
**) Das „ta” in der älteren Form dieses Namens ist acht Berberisch.
Die sieben echten und sieben unechten Haussa-Staaten. 81
Eukel Bauii, Sohn KarbagaiTs, der Vorvater der Personifikationen
der sechs anderen Haussa-Staaten gewesen sein. Diese
sind: Kätsena und Segseg, die Provinz, in der Saria oder
Soso die Hauptstadt ist (diese beiden werden als Zwillinge
dargestellt), Kanö und Ranö, ein anderes Zwillingspaar, und
endlich Göber und Daura. Es scheint indess fast allgemein
zugestanden zu werden, dass Daura *) der älteste der sieben
war; wichtiger für den historischen Standpunkt und
bestätigend für das, was ich oben gesagt habe, scheint die
Angabe zu sein, dass die Mutter dieser Kinder dem Stamme
der Deggara angehörte. Dies ist ein kleiner, sehr heruntergekommener
Berber-Stamm, der noch jetzt-im Norden von
Mfinio sesshaft ist, aber früher viel bedeutender war. Biram,
Daura, Göber, Kanö, Ranö, Kätsena und Segseg sind die
wohlbekannten ursprünglichen sieben Haussa-Staaten, die
„Haussa bokeu”, die „sieben Haussa”.
Dagegen werden die sieben anderen Provinzen oder Länder,
in welchen die Haussa-Sprache zu grösser Ausdehnung gelangt
ist, obwohl sie nicht die Sprache der Eingeborenen ist, scherzweise
„ bänsa bokeu” — „die nichtigen Sieben” oder vielmehr
wahrscheinlich „die unehelichen Sieben” - 4 genannt **)
Es sind dies die Landschaften: „Sänfara, Kebbi, Nüpe oder
*) Daura scheint der Mittelpunkt des alten Heidenkultus gewesen zu sein.
Hier soll der ,?dodp” , die alte heidnische Hauptgottheit, erschlagen worden sein;
auch wird hier noch gegenwärtig ein alter mystischer Brunnen gezeigt, der
stets nach Sonnenuntergang trocken sein soll. Es ist auch eine bemerkens-
werthe Thatsache, dass Daura Anspruch auf den Ruhm macht, einen eigenen
Bekehrer Namens Ali el Baghdädi gehabt zu haben, und hiermit hängt nicht
unwahrscheinlich der Umstand zusammen, dass die so verehrte alte Betstätte
auf dem Wege von TintSllust nach Agades von Einigen „mssld Ssidi Baghdädi”
genannt wird. S. Bd. I, S. 424. Ob Daura mit dem „Daur” oder „Dau”
El Bekri’s identisch ist, ist eine Frage von grösser Bedeutung, weil in diesem
Falle Daura ein sehr alter Platz wäre; aber ich will hier nicht das
schlüpfrige Feld der vergleichenden Geographie betreten.
**) In diesem Sinne sagt man in Haussa „da-n-bänsa” — „ein unehelicher,