VII. KAPITEL.
Die Glaubwürdigkeit und der allgemeine Charakter der Geschichte von Börnu.
Ein Jeder, der die Vergangenheit einer halbbarbarischen
Nation der Dunkelheit zu entreissen sucht und dem Leser
ein, wenn auch nur mageres, Gerippe der Geschichte derselben
vorlegt, wird die Vorurtheile einer grossen Menge von Kritikern
zu bekämpfen haben, welche daran gewöhnt sind, nichts
zu glauben, was nicht der schärfsten Untersuchung Stand halten
kann. Ehe ich es nun wage, die im folgenden Abschnitte
gegebenen chronologischen Tabellen der Geschichte des Bomu-
Reiches dem Leser vorzulegen, will ich selbst erst versuchen,
meinen Gegenstand einer solchen einleitenden Kritik zu unterwerfen.
Die Urkunden, auf welche meine geschichtliche Zusammenstellung
sich gründet, sind, ausser den wenigen Nachrichten,
welche in den Erzählungen neuerer Reisenden enthalten sind,
die folgenden:
1) Eine Chronik „diwän” *— oder vielmehr der trockene,
unfruchtbare Auszug aus einer Chronik, welcher die ganze
Geschichte Bomu’s von der Zeit Mohammed’s bis auf
Ibrahim umfasst, den letzten unglücklichen Sprossen der
königlichen Familie, der eben den zusammenstürzenden
Thron des Börnu-Reiches bestiegen hatte, als die letzte
Englische Expedition in jenem Lande ankam. 6 Seiten 4°.
Von dieser höchst unkorrekt geschriebenen Urkunde habe
ich eine Abschrift an die Leipziger Orientalische Gesellschaft
eingesandt, und eine Übersetzung davon ist in der
Zeitschrift dieser Gesellschaft im Jahre 1852, S. 305 ff.,
mit Bemerkungen des Herrn Blau erschienen.
2) Zwei andere, noch kürzere Verzeichnisse von Bömu-
Königen, in meinem Besitz befindlich.
3) Eine ziemlich ausführliche Geschichte der zwölf ersten
Regierungsjahre des Königs Edrïss Alaöma. Sie besteht
aus zwei Theilen, von denen der eine besonders die
Heereszüge hach Känem, der andere die Thätigkeit jenes
energischen Fürsten in den anderen Theilen seines Reiches
schildert; jener umfasst in meiner Abschrift 127, dieser
77 Quartseiten. Diese überaus interessanten und wichtigen
historischen Schilderungen wurden vom gleichzeitigen
Imäm Ahmed, dem Sohne Sofîa’s, verfasst. Ausser
der Abschrift, die ich seihst mit zurückgebracht habe, hat
der verstorbene Vezier Hadj Beschîr ben Tiräb auf meine
dringenden Vorstellungen*) eine Abschrift dieses für die
Geschichte des Landes höchst wichtigen Werkes nach
England gesandt, die sich zu London im Ministerium
des Äusseren befindet.
4) Einige Thatsachen, die von Arabischen Schriftstellern, wie
Ehn Sàid (1282 n. Chr.), Ehn Batüta (1353), Ebn Chal-
dùn (13®'/sa), Makrïsi (um 1400) und Leo Africanus (1528),
erwähnt sind.
5) Eine kleine Urkunde, welche Berichte über die von einigen
Bornu-Königen nach Tripoli geschickten Gesandtschaften
enthält und im Bulletin de la Société déograph.
de Paris 1849. p. 252 ff. veröffentlicht worden ist.
Nach dieser kurzen Andeutung der Hauptdata, auf welche
unsere Zusammenstellung sich gründet, gehe ich nun dazu
über, den Charakter der ersten dieser Urkunden zu unter*)
S. meinen Brief an Bitter Bunsen, datirt Kükaua, 20. Nov. 1852, ab-
gedruekt in Herrn Dr. P et ermann’s Geograph. Mittbeilungen, 1855. S. 7.