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72 I. Kapitel.
reiner sei, als die Glaubensbekenntnisse der meisten Christlichen
Sekten, und gab ihm zu, dass gerade, als Mohammed
auftrat, die Christenheit tief unter ihre anfängliche Reinheit
und Einfachheit gesunken gewesen sei. Der alte Mann, hoch
erfreut durch das, was ich ihm gesagt, schwor, dass er die
Engländer und Preussen nicht länger Kotär nennen an iirde,
dass ich ihm aber erlauben müsse, die „Mösko" (die Russen)
so zu nennen, welche in der ganzen Mohammedanischen Welt,
bis ins Herz von Afrika hinein, ihrer Feindschaft gegen Stam-
bul wegen wohlbekannt sind.
Nachmittags besuchte mich der Sohn Bel-Rhet’s, ein Mann
von etwa 35 Jahren, in Gesellschaft eines Scherlfen aus \ e -
man, der in Bombay gewesen und mit den Engländern wohl-
bekannt war. Er war auf dem Wege nach rimbuktu, um
dort seine Ansprüche auf die Erbschaft eines wohlhabenden
Kaufmannes, welcher daselbst gestorben, geltend zu machen.
Sein Vorhaben indess glückte ihm nicht, und als ich im September
1853 selbst nach Timbuktu kam, hatte er diese Stadt
seit einiger Zeit mit leerer Hand und in grösser Noth verlassen;
er kam in der Folge auf seinem Heimwege um, zu
meinem grossen Bedauern, denn er war ein einfacher, liebenswürdiger
imd intelligenter Mann. Während seiner mehrfach
wiederholten Besuche zeigten er und sein Begleiter mir
an, dass ein grosses Christliches Buch, wie sie es nannten, in
Leder gebunden, mit metallenen Ecken und Schloss, im Besitz
eines Pullo oder Fellani in der Stadt sei; sie konnten
mir aber nicht sagen, ob es Handschrift oder Druck sei, und
ich selbst war nicht so glücklich, trotzdem, dass ich einen
kleinen Preis dafür bot, es nur zu Gesicht zu bekommen.
Es mag wohl eines von jenen schweren Büchern sein, welche
Clapperton bei seinem Tode Lander anrieth lieber zurückzulassen.
[Dienstag, 28$** Januar.] Endlich gelang es mir, meine
Angelegenheit mit Mohammed Bello, dem Statthalter von
L
Kätsena, in Ordnung zu bringen. Früh am Morgen sandte
ich zu El Wücl tschi, uni zu versuchen, mich endlich abzufinden,
indem ich ihm sagen liess, dass ich mich zu jedem möglichen
Opfer entschlossen hätte, und er sandte mir in Folge
dessen einen Bernus für 52,000 Kurdl. Während ich darüber
nachsann, ob ich in eine neue Schuld von solcher
Grösse, das heisst für meine dürftigen Umstände, eingehen
könne, kam Bel-Rhet; er war ohne Zweifel in Furcht, dass,
wenn ich dem Statthalter ehi grosses Geschenk machte, er
selbst nichts bekommen würde. Er schlug mir daher vor,
lieber mehrere Sachen von geringerem Werthe zu wählen.
Demnach verschaffte mir El Wächschi einen sammtenen Kaftan
von sehr geringer Qualität, einen Teppich, eine Ssedrle
(enge Weste) und einen Shawl. Alles dies zusammen betrug
nicht mehr als 31,000 Kurdl, so dass ich mit mehr als
20,000 Kurdi weniger davonkam. Um der Sache aber einen
ehrenhafteren und wissenschaftlichen Anstrich zu geben, fügte
ich ausser etwas Weihrauch einen Bleistift und zwei starke
Dosen Glaubersalz bei.
Während Bel-Rhet sich aufmachte, um vollständigen Frieden
zwischen mir und dem excentrischen Statthalter abzu-
schliessen, besuchte ich mit El Wächschi und Gadjere den
Markt. Dann wandte ich mich mit dem Letztgenannten, der
bei seiner kurzen, untersetzten Statur mit seinem schweren
Speer wie ein stattlicher Leibwächter vor mir herschritt, zu
Mänso, einem Agenten Masaüadji’s, der stets hier wohnt, und
stattete ihm meinen Gruss ab. Dies war ein Opfer, das ich
meinem treuen Begleiter brachte; denn der Besuch war kalt.
Aber der gute Gadjere wollte durchaus, dass ich die Bedeutung
seiner Landsleute in Kätsena kennen lernen sollte; er führte
mich also einen Weg, wo wir am Hause des Sultans von Aga-
des — „glda-n-sserki-n-Agades” — vorbeikamen. Denn wenn
auch nicht jetzt und vielleicht nie ein aktiver Sultan jenes eigen-
thümlichen kleinen Reiches hier residirt, so gibt es zu jederZeit