mit den neuesten Nachrichten Rittichs differirt, der für Sibirien
61266, für Russisch Central-Asien 2,238,100, zusammen also 2,299,366
angiebt. Davon würden, um nur die von uns durchreisten Gebiete
zu erwähnen, auf das Gouvernement Tomsk 41,500, Gouv. Tobolsk
19,766, Gouv. Semipalätinsk 240,000 und auf das Gebiet Semir-
jetschensk 367,000 Kirghisen kommen.
Die Gesammtfläche der von Kirghisen durchwanderten Gebiete
berechnet von Koppen auf 40,352 Quadratmeilen (1,961,639 Quadratwerst),
was nahezu der halben Grösse des europäischen Russland
oder 4V2 mal dem Umfange des deutschen Reichs gleichkommen
würde.N
ach altem Herkommen trennen sich die Kirghisen social noch
heut in zwei Klassen, in die vom „weissen Knochen (Ak-sijuk)“ und die
vom „schwarzen Knochen (Kara-sijuk)“. Die Ersteren sind analog
unserem Adel zu betrachten; ihre Kaste ist wie bei diesem erblich und
zu ihnen gehören die Nachkommen der früheren Chane, die Sultahne
und andere erbliche Würdenträger. Zum schwarzen Knochen werden
alle übrigen Kirghisen gerechnet; sie bildeten früher gleichsam
Vasallen der Sultahne und stehen auch jetzt noch z. Th. in gewisser
Abhängigkeit zu den letzteren, insofern sie denselben als Hirten oder
Feldarbeiter dienen. Diese dienende Klasse, Eginitschen oder Je-
gintschen genannt, reiten auf Ochsen oder Kameelen, während schon
die Dschingiten, d. h. unabhängige, nicht ganz Arme, zu Pferd erscheinen.
Wirklich verarmte Kirghisen, welche meist ihren Unterhalt
bei den Russen (Kosaken) finden und von denen z. B. hunderte
in den Bergwerken des Altai arbeiten, werden „Baigusch“ genannt,
Dsehtaki, deren ich bereits (p. 77) gedachte, solche, welche ihre
Schulden aharbeiten. Vor nicht allzu langer Zeit gab es, wie in
Russland überhaupt, noch Leibeigene (Telenguten) oder Sclaven, die
sieh indess im Allgemeinen einer sehr milden Behandlung erfreuten,
obschon ihre Herren ganz nach Willkür über sie verfügen konnten.
Sie waren meist Nachkommen geraubter Kalmücken, Taschkender
und selbst Russen.
Wie der Adel so haben sich ganz besonders die alten Geschlechter
(Stämme) erhalten (die wiederum in Zweige*) zerfallen), zu welchen
*) So sagt man z. B .: der Zweig Bulak des Geschlechtes Kenanbai der
Wollost Tuguljbay-Ssadyrow. Eine Aufzählung der Geschlechter, soweit sie bekannt
sind, giebt v. Koppen: Peterm. Geogr. Mittheil. 1858. p. 496 u. s. w.
sich die Kirghisen selbst jetzt noch rechnen, nachdem sie seit 1867,
hauptsächlich mit Neuerrichtung des G e u e r a i - Gouvernements ur-
kestan, eine ganz andere Organisation und eine administrative Ein
theilung in A-uls und Wollost erhielten. Nach derselben büden
30 bis 200 Jurten (oder Kibitken) eine Gemeinde - A-ul - , mehrere
Gemeinden ein Weidegebiet oder Kreis - Wollost
Die A-uls werden von selbstgewählten emgebornen Richtern
(Bii-en) verwaltet, die nach nationalem Gewohnheitsgesetz (Adat)
über alle unter den nomadisirenden Eingebornen entstandenen
Streitigkeiten aburtheilen und nicht nur die meisten Civilprocesse,
sondern auch einen Theil der Criminalprocesse schhchte£ wie
Die Gerichtsordnung ist dabei etwa folgende. Klager wie
Angeklagte wählen zur Entscheidung ihrer Sache je einen Richte
(Bif), gewöhnlich aus ihrer eigenen Wollost, m ernsteren Fallen
auch je zwei, drei und mehr. In manchen Sachen betragt die Za
der Richter jeder Partei sogar zwölf. Bei Meinungsverschiedenheit
der Richter wird ein Vermittler gewählt oder auch von. j;inem ,
amten der Regierung'ernannt; der Entscheid des Vermittlers giebt
endgültig den Ausschlag. Haben die Parteien die Richter gewählt
so erfolgt die Vernehmung jener, ihrer Zeugen und die Prüfung
der etwa vorgelegten Dokumente. Sind keine Zeugen vorhanden
dann entscheidet der Schwur. Gewöhnlich sind die ParteieD “
der Entscheidung zufrieden; im entgegengesetzten Falle erMgt eme
neue Wahl der „Bii“ mit Hinzufügung einiger aus anderen Wollosti.
Die Strafgelder werden zur Deckung der Unkosten benutzt, den
Rest nehmen die Richter bald für sich, bald erlassen sie i n en
Verurtheilten. Auf Mord stand übrigens nur dann Todesstrafe,
wenn 'der Verbrecher zu arm war, seine Schuld durch Bezahlung
zu sühnen. Er wurde dann gehängt oder den Anverwandten des
Ermordeten zur willkürlichen Strafe übergeben. Gewonhch kam
aber ein Vergleich zu Stande. Für einen vornehmen Mann mussten
100 Pferde, 2 Kameele, ein Sclave, ein Berkut (traimrter Steina )
und ähnliche Dinge bezahlt werden. Diebstahl wurde, soweit der
Thäter solvent war, ebenfalls durch Vieh abgemacht; für ein gestohlenes
Pferd mussten 27 wiedererstattet werden u. s, w. Jetzt
wird der Diebstahl meist mit einer Geldstrafe geahndet <he*den
entwendeten Gegenstand neun Mal an Werth übersteigt Abweichend
davon ist das Verfahren im Bezirk Kuldschä, indem hier die Straf