perlen erhöhen den guten Eindruck. Die langhaarigen und vollbärtigen
Männer, meist Rothblonde, unterschied in der Tracht o 1 1
nichts Besonderes von ändern Russen. Nur die verschiedenartig geformten
und von Schwarz his Himmelblau gefärbten groben Filzhüte,
von denen mein Scizzenhuch eine ganze Musterkarte enthält, fielen
mir auf.
Ueberall wo Pferde gewechselt wurden, wir also das Innere der
Häuser kennen lernten, überraschte die ungemeine Reinlichkeit der
blankgeseheuerten Holzwände, Dielen und des einfachen aber soliden
selbstverfertigten Meublements. Die Wohlhabenheit dieser Bauern
begründet sich übrigens nicht allein auf die Fruchtbarkeit des
Bodens, sondern ist hauptsächlich auf eine andere, schwerwiegende
Ursache zurückzuführen:. sie sind Staroobrädzi (Altgläubige) oder
Sectirer (Raskolniki*)! Der im Ganzen nur unwesentlich abweichende
Glaube thut dabei freilich das Wenigste, ebenso nicht das dieser
Secte eigene Verabscheuen des Tabakrauchens, sondern lediglich
das Gelübde der Massigkeit: sie sind keine Schnapstrinker! Während
der sibirische Bauer eine ansehnliche Zahl Tage des Jahres mit
Trinken verbringt oder in Folge desselben verliert, arbeitet der Alt-
gläubige und folgerecht vermehrt sich sein Wohlstand. Nach den
Schilderungen Castrens u. A., welche bei den Altgläubigen eben
keine freundliche Aufnahme fanden, weil sie Andersgläubige für
Ketzer und Alles von ihnen Berührte (selbst Geschirre) für unrein
halten, hatte ich mit ziemlichem Unbehagen dem Zusammentreffen
mit ihnen entgegen gesehen. Wie erstaunte ich daher, als allenthalben
reichlich für unsere Bewirthung gesorgt war. Eierkuchen,
Milch, in Brotteig gebackene Fische, vor Allem aber der mit Recht
berühmte Altaihonig, rein und in allen möglichen Zusammenstellungen**)
(Honig mit Mohn, Himbeeren mit Honig u. s. w.)
standen reinlich aufgedeckt bereit. Und dies, wie ich gleich hier
bemerken will, nicht nur in Folge der Anwesenheit des Gouverneurs,
*) Unter diesen Collectivnamen begreift man sehr zahlreiche Secten, die
untereinander mehr oder weniger differiren, aber darin alle übereinstimmen, dass
sie die Dogmen der orthodoxen Kirche nicht vollständig anerkennen und — das
Zeichen des Kreuzes mit 2 Fingern machen, wie dies nur die Popen der orthodoxen
Kirche beim Ertheilen des Segens thun! Ueber die Raskolniki und die
hauptsächlichsten der in Russland wuchernden Sectirer, siehe v. Lengenfeldt p. 51.
**) Sehr beliebt ist im Sommer (nach Rose) auch Honig mit frischen —
Gnrken!
sondern wir fanden dieselbe freundliche Aufnahme und Gastfreundschaft
auch später überall, wo wir mit Altgläubigen zusammentrafen.
Bei dem ungemein starken Zusammenlauf der Bevölkerung,
welcher uns in den Dörfern empfing, verwunderte ich mich nicht
als uns vor der Station Bereosowska schon eine Menschenmenge erwartete!
Es waren festlich gekleidete Mädchen, wie wir später
hörten, Jungfrauen,: welche allerdings nicht uns, sondern ein auf
Gastrollen reisendes Bild der Muttergottes von Kasan erwarteten, denn
nur Jungfrauen sind auserwählt ein so grosses Heiligthum zu tragen.
Die lieben Mädchen harrten übrigens nicht ganz ohne männlichen
Schutz; einige flinke Bursche schienen ihnen die Zeit des Wartens
nicht unangenehm abzukürzen.
In. dem genannten Dorfe wurden uns kleine schlecht aussehende
Yaks gezeigt, die im Altai eingebürgert werden sollen und ohne
Zweifel für diese Gebirge sehr nützlich und zweckmässig sein dürften.
Von dem Reichthum an Vieh erhielten wir wiederholt Beweise,
ebenso in Betreff des Landbaues. Die sechs Pferde, welche meist
den leichten Pflug zogen, waren wol weniger in Folge der Schwere
des Bodens als aus Ueberfluss an Pferden angespannt. Das für den
Reisenden nicht immer angenehme feurige Temperament der Gäule
zeigte sich wiederholt, nicht minder das: Geschick der Kutscher.
Als auf der letzten 40 Werst, (fast 6 d. M.) langen Station Alexan-
drovsk-Syrjanowsk die Pferde durchgehen wollten, wüsste dies der
gewandte Jemtschik dadurch abzuwehren, dass er Mitten im Fahren
vom Bocke sprang und sich an das Krummholz des Mittelpferdes
anklammerte.
Gegen 10 Uhr, bei völliger Dunkelheit und klatschendem Regen
erreichten wir Syrjanowsk oder Siränowsk (wol richtiger als Seria-
nowsk) und fanden im Hause, des Chefs der Bergwerke, Bergingenieur
Alexander Nikolajewitseh Bastrigin, gastlichste Aufnahme,
und zwar in einer Weise die uns in jeder Hinsicht auf das
Angenehmste überraschte. Ausser einem Pianino, auf welchem
die liebenswürdige Frau des Hauses uns durch den lang entbehrten
Genuss moderner Musik erfreute, war sogar ein Billard
vorhanden.
Mit Ankunft in den Ausläufern des Gebirges dürfte es nicht
uninteressant sein, einen kurzen Ueberbliek der verzweigten unter