Die Landschaft, welche wir im Laufe des 6. und 7. August
durchwanderten, gehörte zu der trostlosesten und langweiligsten der
ganzen Reise. So weit das Auge reichte nichts als einförmige
Zwergbirken-Tundra oder kleine flache Hügel mit anstehendem
Granit und Granitit, die zuweilen derart mit losen Steinen und Felsstücken
besät waren, dass letztere Ton Weitern täuschend einer
weidenden Renheerde ähnelten. Hur Teiche und Seen, von grünen
Sumpfwiesen umgehen, gewährten einige Abwechselung, sowie der
Anblick einer Bergreihe, welche die Eingebornen als „Jangana-
Pai“ bezeichneten. Ich habe schon bei der Podarata erwähnt,
dass hier unter gewisser Beleuchtung, ein der Hauptkette des Ural
vorlagernder Parallelzug erkennbar war und glaube, dass derselbe
mit dem hier gesehenen Jangana-Pai identisch ist. Hofmann erwähnt
einer gleichen Parallelkette an der Ostseite des.Ural, weiter
südlich', ostiak. Nöll-Joute-Kä-u genannt, die vielleicht ebenfalls
hierher gehört. Dass die Westseite des Ural eine ganz gleiche,
durch eine 4—6 Werst breite Zwergbirken-Tundra vom Hauptstock
getrennte Parallelkette aufzuweisen hat, wissen wir durch Sehrenk
(p. 389) und Hofmann. Letzterer nennt sie „Jenga-Pae“ (p. 131),
d. h. samoj. „abgesonderter Fels“ (Gebirge), und ich glaube nicht
zu irren, wenn ich diesen Namen für gleichbedeutend mit „Jangana-
Pai“ halte. Diese südöstlich streichende, anscheinend aus gewaltigen
Granitmassen bestehende Bergkette liess nur ein paar Mal eine der
höchsten Spitzen des Ural (hier unter c. 67 45, also wol den 3822'
hohen Chaiudy-Pai) hervortreten und verlieh dann der Gebirgskette
Conturen, welche denen des Riesengebirges, mit der Schneekoppe
und Schneegruben, nicht unähnlich waren. Mit der Jangana-pai-
Reihe hatten wir zugleich die Wasserscheide (100 Mtr.)*) nach
Graf Waldburg zwischen Podarata und Schtschutscbja überschritten
und die „grosse Strasse“ erreicht, welche die vom Ural nach der
Schtschutschja ziehenden Renheerden einschlagen und die wahrscheinlich
dieselbe ist, welcher die- über den Hechtpass nach Obdorsk
reisenden Syrjänen folgen, obwol unsere Leute darüber nichts wussten,
sondern es nur vermutheten. Eine Strasse in unserem Sinne war
es nun nicht, aber immerhin ein durch mehrere Schlittenspuren und
unzählige Renhufe bezeichneter Weg, dessen Verlauf das Auge bei
*) Ueber die Höhenbeobachtungen von Graf Waldburg siehe dessen Karten-
scizze No. 4.
gewisser Beleuchtung auf eine -x ziemliche Entfernung verfolgen
konnte. Für uns Fnssgänger gewährte die Strasse wesentliche Erleichterung
und wir begrüssten sie daher mit grösser Freude. Immerhin
blieben schwierige Passagen, namentlich durch die Sümpfe der
Niederungen, welche von Weitem so täuschend üppig grünen Wiesen
ähneln, aber viele Anstrengungen erfordern, denn man muss sich
nicht allein Schritt für Schritt durch den Morast arbeiten, sondern
wird nicht selten unerwartet von einem tiefen Wässerchen aufgehalten,
welches zu überschreiten ein kühner Sprung oft nicht ausreicht.
Die Thierarmuth blieb sich immer gleich und selbst auf so
grossen Wasserflächen, wie dem See Junehan-to, spähte das Auge
vergebens nach wilden Gänsen, Schwänen u. s. w. Die Eingebornen
hatten sich auf dieselben schon sehr gefreut und hofften bei der
jetzigen Mauserzeit leichte Beute zu machen. Während derselben,
in welcher die alten Vögel durch das schnelle Ausfallen der Schwungfedern
flugunfähig sind, pflegen in manchen Localitäten hunderte
und tausende erlegt zu werden, wie dies Schrenk z. B. von der
Kolva (I. p. 263 267 u. 580) beschreibt. Offenbar sind die Tundraseen
arm an Wasserthieren und in Folge dessen auch an Vögeln.
Flohkiebse (Gammariden) scheinen, wie erwähnt, die Hauptnahrung
der Tauchenten (Trauer-, Sammt-, Eis-, Reiherenten) zu bilden,
denn von Conchylien fanden wir nur einmal die kleine, nur 2 Mm.
hohe Planorbis borealis, Loven. — Fische scheinen ebenfalls sehr
spärlich in diesen Seen. Nach Sujew würden „Stichlinge und
Cyprinus rivularis, Pall.,“ Vorkommen. Ich selbst fand nur einmal
einen Hechtkopf am Ufer, aber nach der Aussage unserer Leute
sollen in einzelnen Seen auch Puschian und Moxun Vorkommen
und in solchen zuweilen auch gefischt werden.
Am-Abend des 7. August lagerten wir an einem hübschen
namenlosen See mit einer grünen Insel, an dessen entgegengesetzten
Uferhügeln sich die ersten Lärchen zeigten, die obwol klein keineswegs
verkrüppelt erschienen und als die ersten von baumartigem Gepräge
mit Freuden begrüsst wurden. Auch die Weiden- und Zwerg-
Pappel-Dickichte waren üppiger geworden und hatten allmälig
einen mehr strauchartigen Character angenommen. Dagegen verblühten
die Blumen schon stark und das Laub der Birken fing sich
an hie und da gelb zu färben, wie die Moltebeere (russ. Moroschka,