oder irgend Etwas am Wagen passirt, entsteht oft ein heilloser
Aufenthalt. . Namentlich wenn man mit soviel Gepäck reist als wir
mussten, sind dergleichen Unfälle gar nicht zu vermeiden und machen
eine Vorausbestimmung des Eintreffens unberechenbar. Wenn wir
daher auch 5 mal 24 Stunden brauchten, so konnten wir mit der
Fahrgeschwindigkeit doch im Ganzen zufrieden sein, denn wir hatten
49 Stunden Aufenthalt, wovon 40 auf Rechnung von Achsenbrüchen
und Steckenbleiben kamen.
Wie wir in Semipalätinsk über unser langsames Fortkommen
Tadel fanden, so würden wir wahrscheinlich bei Johann Georg
Gmelin Bewunderung und Lob geerntet haben, der zu' derselben Strecke
fast einen Monat brauchte. Freilich war dies im Jahre 1734 und
Gmelin musste, da Pferde nur schwierig zu bekommen waren, die
Reise grösstentheils in einem schlechten Fahrzeuge machen. Die
Entfernungen wurden damals in sehr eigenthümer Weise gerechnet,
nämlich bis zur Festung Schelesinskaja nach „P liö s s e n d . h. die
Entfernungen von einer Flusskrümmung zur ändern. Weiterhin
rechnete man nach „Ruschken,“ d. h. Steilufern, und wo diese aufhörten
nach „Urotschischtschi,“ d. h. irgend einer absonderlich aussehenden
Oertlichkeit. Von „Jannischewskaja Krepost,“ der zweiten
Festung, ging Gmelin zu Pferd weiter und nun wurde nach „Kormo-
witschen“ oder Stellen, wo sich gute Pferdeweide fand, gerechnet.
Zu Pallas’ Zeit (1771) gab es bereits eine bessere Strasse, auf
welcher er bis Belo Kamene 24 Stationen verzeichnet, die alle noch
heutigen Tags bestehen. Auf der Karte zu Humboldt’s und Rose’s
Reise sind 26 Stationen angegeben, die bis auf Abweichungen in der
Schreibweise mit meinen Itinerar übereinstimmen, welches nur
4 Stationen mehr, also im Ganzen 30 aufzuweisen hat, darunter nur
eine Stadt, das kleine Pawlodar.
Alle diese Stationsdörfer, zwischen denen kaum mehr als
5 andere liegen, sind von Kosaken bewohnt, jenen Colonisten, die
wie bei den alten Römern neben dem Schwerte den Pflug führen.
Sie wurden hier ursprünglich angesiedelt als Russland die Kirghisen
nach dem linken Irtischufer zurückgedrängt hatte und dienten als
Schutz gegen die Einfälle derselben, die jetzt wol nicht mehr zu
fürchten sind. Wenn die Kosaken an der Irtischlinie*) auch ihre
*) Sie wurde unter Peter dem Grossen schon 1715 bis Ust-Kamenogorsk
ausgedehnt. Siehe: Wenjukow „Die rnssisch-asiatischen Grenzlande“ . Deutsch von
Krabmer 1874. p. 15.
•eigentliche Bedeutung verloren haben, so hat Russland durch sie
»doch einen fruchtbaren Boden colonisirt, denn diese Kosakendörfer,
•von denen manche über 400 Einwohner haben und von denen das
|3te oder 4te eine stattliche Kirche besizt, machen einen sehr be-
Ihäbigen Eindruck. Sie sind noch weitläuftiger angelegt als sonst
ein Sibirien und die Dorfstrasse, welche jederseits von einer Reihe
»Häuser begrenzt wird, ähnelt oft mehr einem langgestreckten Platze
•als einer Strasse. Die beigegebene Abbildung, einen Theil von
ju -S ü ffin a ii/ts
IPodpusknaja darstellend;, welches später noch erwähnt werden wird
»kann zugleich als characteristisch für alle übrigen Kosakendörfer
■an der Irtischlinie gelten.
Alle männlichen Bewohner der Kosakendörfer*) sind zu Kriegerldiensten,
sowol der Vertheidigung, als dem Angriff, verpflichtet und
■werden schon früh im Waffenhandwerk durch Atamans unterwiesen,
■die meist ihre Ausbildung in Omsk erhielten und zuweilen auch
Vorsteher der Gemeinde sind. Es hat sich also, trçtz dieser patriarchalischen
Verhältnisse, soldatischer Geist erhalten, der sich in der
ranzen Bevölkerung kundgiebt und sie schon im Aeusseren durch
■ramme Haltung auszeichnet. Auch das weibliche Geschlecht er-
j en uns vortheilhafter aussehend und mehr adrett als bisher.
) Noch für heut beachtenswerthe Mittheilungen über das Lehen und Treiben
B * Kosaken, ihren Dienst und Organisation gieht Helmersen: „Reise nach dem
■ K a i“ in: Beiträge zur Kenntniss des Russischen Reichs. 14 Bändchen 1848. p. 5.