das 4—6 fache bringen. Dass bei diesem Pferdereichthum stets
mehr Pferde eingespannt wurden als nothwendig und nützlich war.,
(statt der bezahlten 3 meist 5), konnte ich nicht verhindern, obwol
durch ihren Uebermuth oft Unfall drohte. Bei der Liederlichkeit
des Geschirrs reisst nämlich gewöhnlich schon nach kurzer Zeit eine
Aufhalte*), ein Zug- oder Leitstrick und man ist froh, wenn das
oder die dadurch freigewordenen Pferde, sich vollends lossreissen
um nicht weiteres Unheil anzurichten. Bei dem feurigen Temperament
dieser Thiere ist es eine ihrer gewöhnlichen Scherze einander zu
überholen und auszufahren und dass der eine Kutscher dann selten
im Stande ist sie zu halten haben wir oft erfahren, selbst wenn ich
und Martin mit aller Kraft uns mit in die Zügel legten. Die
Thorwege am Eingänge der Dörfer und die meist in einer Senkung
liegenden langen Brücken, sind für solche breite,: in rasender Eile
dahinschiessende Gespanne besonders gefährlich. So passirte es, dass
das äusserste Handpferd am Thorpfosten hängen blieb,, und im Nu
waren Zügel und Zugstränge abgerissen. Bei den steilen Abhängen
vor den Brücken ertönte wieder das ominöse „Derdschi! derdschi!
(halten) aber meist ohne Erfolg, denn die Pferde liessen sich nur
selten halten. Es gewährte dann ein ängstliches Bild zurückblickend
die nachfolgenden Wagen in rasender Eile den Abhang herab und
über die Brücke jagen zu sehen. Da die Letzteren sehr häufig von
Vieh frequentirt werden, welches die Geländer mit Vorliebe zum
Scheuern juckender Hautstellen benutzt, so war es kein Wunder,
dass auf dieser Tour von uns 2 Kälber und 1 Schwein überfahren
wurden. Eine eigenthümliche Erscheinung an den hiesigen Pferden,
welche wir schon in der Steppe beobachtet hatten, verdient noch
Erwähnung. Es ist dies das auffallende „Blutschwitzen“**) d. h.
man bemerkt bei Pferden die anhaltend stark gelaufen sind, häufig
am Halse, oder sonst wo auf dem Körper Blutstropfen, die sich
nicht selten zu einem langsam herabrieselnden Faden ausdehnen
und den Eindruck von Verletzungen durch Insectenstiche oder den
Kantschu machen. Die Eingebornen kennen diese Erscheinung, welche
*) Ein solcher Fall würde namentlich fatal gewesen sein, als wir vor Barnaul
ein oder zwei Stationen mit einfacher Deichsel am Wagen fuhren, die uns übrigens
nur hier begegnete, sonst fanden wir auf der ganzen Eeise nur den üblichen Einspann
in eine Gabeldeichsel mit Krummholz.
**) Graf Waldburg schreibt mir hierüber: „Das Blutschwitzen ist ein Zeichen
guter reiner Basse und kommt bei Vollblutpferden auch bei uns vor“.* • •
nur im Frühjahr uud Sommer sich zeigen soll, indess sehr wol,
und schreiben sie Vollblütigkeit zu, welche durch Erhitzung die feinen
Blutgefässe der Haut sprengt.
Wie überall in dichtem Hochwalde so hatte sich auch in der
Taiga Thierleben sehr wenig bemerkbar gemacht und hauptsächlich
auf Kolkraben, Elstern, Dohlen, Nebelkrähen und Staare, die jetzt
alle flügge Junge führten; 1 beschränkt. In der offenen Steppen-
gegeud wurde es wieder belebter namentlich in der Vogelwelt.
Königsadler (Aquila mogilnik) zeigten sich öfters und so zahm, dass
sie auf Werstpfählen bäumend das Gefährt zuweilen ganz nahe herankommen
liessen; ausserdem Thurm- und Rothfussfalken, Steppenweihen,
Uferschwalben, Weidenammer (Emberiza aureola), Kiebitze
mit Jungen, Wachteln. Aus den Ufergebüschen ertönte hie und da
der Schlag des Sprossers, am häufigsten blieben aber, wie vorher,
Feldlerchen (Alauda arvensis) und der Wiesenschmätzer (Pratincola
rubicola).
Aeusserst interessant war für mich eine Zieselcolonie kurz vor
dem Dorfe Pästirowskaja (Pätscherskina, Pästjerewa oder Pestjerew)
27 W. hinter Salai'r. Wir hatten diese höhlengrabenden Nager
bisher nur einzeln angetroffen,. hier war der grüne Anger von
hunderten belebt. Ich zählte zuweilen mehr als dreissig, welche unbeweglich
wie Stöcke auf oder vor den Erdhügelchen ihrer Eingangsröhren
sassen und den Eindringling männchenmachend beobachteten.
Ein paar Schritte vorwärts und die ganze Gesellschaft war,
einen scharfen, hellen Pfiff ausstossend, wie mit Zauberschlag von
der Erde verschwunden. Ich wusste von den Prairiehunden (Arcto-
mys ludovicianus) im fernen Westen Amerikas und den Zieseln in
der Türkei, zur Genüge, wie leicht es ist solche Höhlennager zu
schiessen, aber wie schwierig ihrer habhaft zu werden und freute
mich bei der so kurzen Zeit wenigstens 3 zu erlangen. Es war das
Rothwangen-Ziesel (Spermophilus erythrogenys), diese zahlreiche
Colonie aber, wie mir Dr. Sass brieflich mittheilte, nur eine Ausnahme.
Vielleicht ist schon nächstes Jahr an dieser Stelle kein einziges
Ziesel anzutreffen.
Obwol wir nicht der grossen Poststrasse folgten oder vielmehr
eben desshalb, erwies sich der Weg als ausgezeichnet, denn wir
wurden nicht mehr durch Erz- oder Kohlencaravanen aufgehalten
und konnten uugehindert rasch fahren. Aber die von 20 Pferdehufen
aufgewühlte, trockene Schwarzerde erzeugte einen Staub wie