8.pornammer (Plectrophanes lapponica), der zutraulich auf dem
schlafenden Martin umhertrippelte und Mücken fing, aber dies war
ein noch junger Vogel.
Nach ermüdendem 5stiindigem Marsche, welcher uns immerhin
nur höchstens 12 Werst weit gebracht hatte, langten wir Abends
gegen 9 Uhr beim Tschum an, und legten uns mit den Uebrigen
an unserer gewohnten Stelle schlafen, die uns Frau Sanda nicht
eben mit Freuden (denn ihr Hausgötze und die zahmen Füchse
wurden entschieden beeinträchtigt) einräumte. Es war wegen der
Fremdlinge wiederholt zu Zwistigkeiten zwischen den Eheleuten
gekommen und auch ohne die Sprache zu verstehen, hatte ich
deutlich gemerkt, dass Ostiaken-Frauen keineswegs die unterthänigen
Selavinnen spielen, wie dies fast alle Bücher erzählen. ater
Sanda hatte unserthalben offenbar schon viel Aerger gehabt und
machte demselben einmal dadurch Luft,- dass er seine bessere Hälfte
mittelst eines Fusstrittes beruhigte, was in der That half. Die
Nachtkühle zeigte sich schon so empfindlich, dass wir uns freuten
überhaupt im Tschum Unterkommen zu können. Freilich war der
kaum 13 Fuss im Durchmesser haltende Raum recht eng, da er
ausser der Feuerstelle 16 Menschen Schlafstätten gewähren musste.
Dass dieselben auf ein Minimum reduzirt waren und dass ein solches
Nachtlager im Ganzen nicht zu den angenehmen gehörte, darf vorausgesetzt
werden. Die Ruhe wurde, abgesehen von dem üblichen
Fuchsgeheul, in dieser Nacht noch durch das Gejammer unseres
Hat unterbrochen, dessen Zustand sich seit dem Abmarsch von der
Podarata so verschlimmert hatte, dass er nicht mehr zu Fuss gehen
konnte, sondern gefahren werden musste. Er stöhnte und ächzte
in bejammemswerther Weise und klagte fortwährend über Kälte
und Schmerzen im Leibe. Wir hatten ihm wiederholt Rhabarber,
Natrum bicarbonicum und selbst Opium eingegeben, sowie Auflegen
eines heissen Steines verordnet. Aber es ist schwer bei diesen
Leuten zu erfahren, wo eigentlich das Leiden steckt. Drückte ich
ihm die Magengegend und liess fragen, ob es ihn hier schmerze,
so hiess es: Ja! ebenso wenn ich den Leib befühlte. Aber soviel
bekam ich immerhin ■ heraus, dass der meiste Schmerz in der rechten
Seite sass. Dieselbe erschien zugleich merklich angeschwollen und
dies musste die ernsthafteste Besorgniss erregen. Auch das Gefühl
der Kälte, sowie die stete Unruhe waren sehr bedenkliche Zeichen,
denn der Mann hatte kein Fieber, sein Puls zählte kaum 60 Schläge
und doch hielt er die Füsse fast unmittelbar in die Flammen, ohne
Schmerz zu empfinden. Von Müdigkeit überwältigt, schlief ich,
aber nur für wenige Stunden, endlich ein. Als ich in der Frühe
(6. August), 6 Uhr, erwachte, fiel mein erster Blick auf Hat’s Lagerstelle:
sie war leer! Ich eilte sofort aus dem Tschum um mich nach
Hat umzusehen. Da sass er zusammengekauert an einem Schlitten
mit gesenktem Haupte, anscheinend schlafend. Ja, schlafend! den
ewigen Schlaf: — er war todtü — Ich liess die Leute wecken und
nahm ein Protokoll auf, welches den Russen, Ostiaken und Samojeden
übersetzt und von ihnen mit ihren Zeichen unterschrieben
wurde, um es später beim Sassjedatjelj in Obdorsk abzugeben. Ohne
Verweilen ging es an die Bestattung des Todten nach der Weise
seines Volkes. Leider konnte ich dem braven Manne keinen
Bretterkasten, keinen umgestürzten Renthierschlitten und ähnliche
Auszeichnungen aus Mangel an Material gönnen, nur die ärmlichste
Classe war uns möglich. Mit den schmalen Brettern einer Schlittensohle
wurde in dem an Geröll reichen Sande eine kaum fusstiefe
Grube ausgescharrt, zu welcher Arbeit unser Russe und die Syrjänen
mit harten Worten angehalten werden mussten. Sie glaubten sich
offenbar bei dem Begräbnisse eines Heiden zu verunreinigen, und
Feodor hielt es für viel wichtiger, die Sterbelitanei der orthodoxen
Kirche abzusingen, wahrscheinlich um, nach seiner Ansicht, die
arme Seele noch zu retten. Haiwai, der Samojede, und die drei
Ostiaken, darunter unser christlicher Alexander, den ich noch besonders
dafür belobte und belohnte, hoben den Todten, ohne ihn
anzufassen, mit Stricken auf und legten ihn in die Grube auf ein
Renthierfell, welches ich nebst einer Matte aus Birkenrinde zu
diesem Zwecke, beides für 1V2 .Rubel, gekauft hatte. Das Beil, der
Gürtel mit dem Messer, der Theekessel, die Schnupftabackdose, kurzum
Alles was Hat besessen, wurde mit in die Grube gelegt, nachdem
die Gebrauchsgegenstände vorher ruinirt worden waren. Nur
den Taback theilte man, doch so, dass auch der Todte seinen An-
theil mitbekam. Dann wurden zwei Bretter von einem Renthierschlitten,
über diese die Birkenmatte gelegt, und dann ein Bischen
Erde und Sand darüber gescharrt. Von dem Reste des Schlittens
zündeten die Eingebornen ein Feuer an, über welchem sie, als
Liebesmahl, Renfleisch kochten, bei dem es, ich will nicht sagen
fröhlich, aber ganz wie gewöhnlich zuging. Ich hatte keinen der
Leute zu trösten, denn Keiner nahm wirklichen Antheil an dem