XIII. Kapitel.
Ostiaken und Samojeden.
Vorbemerkung. Anthropologisches. SljjgJ Virchow über die Schädelbildung. —
Ostiaken ähneln Mongolen und Lappen. —f Middendorff über Samojeden. — Sind
ein Mischlingsvolk, — Castrens Sprachforschungen bestätigen dies. — Ahlqvist’s
das GegentheU. — Ostiakisch verwandt mit Ungarisch. — Sprachliches. — Aeussere
Erscheinung. — Unrichtiges älterer Beschreiher. — Schwierigkeit Ostiaken und
Samojeden zu unterscheiden. — Characteristik des Ostiaken-Typus. -^Individuelle
Abweichungen. - - Aehnliche Verhältnisse hei Samojeden. — Vermischung zwischen
beiden Völkern. — Abbildungen derselben. Portraits. — Geschichtliches. —
Frühe Kenntniss dieser Völker. — Jugrien. — Alte Jugren sind heutige Samojeden.
— Unter russischem Scepter. — Verschiedene Benennungen. — Ostiaken
oder „Handocho“. B Samojeden oder „Hasowa“. — Verschiedene Ableitung des
Wortes „Samojed“B - Geographische Verbreitung der Ostiaken. — Zahl derselben.
E - Wogulen. — Verbreitung und Zahl der Samojeden. — Heissen Juraken am
Jenissei. — Jassak. — Ursachen der Verminderung. — Trunksucht. — Gute
Eigenschaften. — Ungemeine Ehrlichkeit. — Keine Bettler. S§ Verträglichkeit der
Kinder. — Weniger Bohheit als hei uns. — Schädliche Einflüsse von Cultur und
Christenthum. — Mission. — Schwierigkeiten derselben. — Christenthum nur
änsserlich. — Samojedische Ansichten über dasselbe. — Heiligkeit der Eidesform
desselben. B Verschlechterung der Sitten und des Wesens. — Frohe Gemüths-
art. — Geistige Fähigkeiten. — Falsche Beurtheilung. — Die geringe Bildung
reicht aus. — Poesie. — Musikinstrumente. — Gednldspiele. — Ein zuverlässiger
Berichterstatter. -p|Aeusseres Lehen. S Objectivität selten, aber nöthig. — Midden-
dorfFs Anleitung dafür. — Hohe Stufe der Vollkommenheit in Geräthschaften. —
Der Choltipon. — Bogen und Pfeil äusserst practisch. — Kunstarbeiten. — Originalität
der Muster. — Weibliches Arbeitsgebiet. — Stellung der Frau. — Irrige
Urtheile. — Frauen werden gut behandelt. — Frau ein „Schatz“. — Schamhaftigkeit.
— Peinlichkeit. — Nahrung. — Erwerb. — Fischerei. — Jagd. — Een-
thierzucht.jj^HDie Syrjänen, die Juden der Tundra. — Urtheile über dieselben.
Benthierbestand. — Kleidung. — Der Männer. — Der Frauen. — Schmuck. —
Nessel. — Toilettkünste. — Kinder. Kinderpuppen. — Harte Erziehung. —
Krankheiten. — Wunderkuren. — Geburt und Namengeben. — Volljährigkeit. —
Heirath und Hochzeit. — Kalym. — Ehegesetze. — Pietät gegenüber Verstorbenen.
— Todtenhaine. — Grabstätten. — Götzenplatz für Todte. Be-
gräbnissfeier. — Liebesmahle. — Jenseits und Schattenreich. — Zaubertrommel.
— Eine Schamanenvorstellung. — Schamanenweisheit. — Christliche Schamanen.
— Mamrun’s Götterlehre. — Schamanenthum. — Civilisirter Schamanenglaube.
— Glauben. — Höchstes Wesen. — Uehrige Götter. — Götterbilder. — Tiljan.
Hahe. „Fetischdienst.“ — Opferdienst. — Lonch. — Sjadaei. — Besumé.
Wie die Eingebornen Nordamerikas, die verschiedenen, oft
sehr zahlreichen Stämme der sogenannten „Rothhäute“, dem Untergänge
bereits verfielen, oder doch stetig entgegengehen, ähnlich so
verhält es sich in Bezug auf die Eingebornen Sibiriens. Castren,
Radloff u. A. erwähnen eiuzelne Volksstämme, von denen kaum
mehr als Ueberbleibsel noch existiren, während andere bereits als
gänzlich untergegangen zu betrachten sind, wie z. B. die Tubinzen
und Kotten. Ein ähnliches Schicksal mag die spärlichen Reste
samojedischer und ostiakischer Stämme, welche Castren hie nnd da
am oberen Ob und Jenissei gleichsam wieder entdeckte, getroffen
haben und Alles was der unerschütterlich eifrige und bewundernswürdig
rastlose Forscher über sie sammelte, bildet daher für alle
Zeit einen unvergänglichen und unersetzbaren Schatz der Wissenschaft.
Wenn die beiden hervorragendsten Stämme der Eingebornen
Nordwest-Sibiriens, die Ostiaken und Samojeden, vorläufig auch
noch für lauge Zeit vor ähnlichen Schicksalen bewahrt scheinen, so
lässt sich doch nicht läugnen, dass sie z. Th. in einer Auflösung
begriffen sind, die so gern als „Aussterben“ bezeichnet wird. Weit
entfernt mit Castren,*) Radloff oder ähnlichen berühmten Forschem
nur annähernd in die Schranken treten zu wollen, scheint es mir
immerhin nicht unwichtig, die von mir gemachten Wahrnehmungen
zusammenzustellen, die ja bei der Kürze unseres Aufenthaltes überhaupt
nicht so eingehend und umfassend sein konnten als ich dies
selbst so sehr gewünscht hätte. Mancherlei Vergleichungen, Beweise
und Berichtigungen machen es indess nothwendig, hier und
da Berichte von Vorgängern zu benutzen. Im Uebrigen kann ich
mich aber in den Hauptsachen auf eigene Beobachtungen und Er-
*) M. Alex. Caströn’s „Keise -Erinnerungen aus den Jahren 1838—1844“
herausgegeben von A. Schiefner, 1853, und „Beiseberichte nnd Briefe ans den
Jahren 1845—1849“, herausgegeben von demselben 1856.