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dass längs dem Ufer nirgends ein ordentlicher Treidelpfad vorhanden
ist. Die Leute mussten sich daher bald durch die zähen
Letten des Uferstrandes, in welche sie bis über die Knöchel einsanken
, oder über umgefallene Baumstämme und das Gestrüpp
durch arbeiten, bis steil abfallende bis an den Rand mit Bäumen
besetzte Uferpartien das Ziehen überhaupt unmöglich machten und
wiederum zum Rudern zwangen. Freilich geht dies noch langsamer
als das Ziehen und ist anstrengender für die Leute, aber die Ostiaken
sind ein fröhliches Völkchen. Der Alte am Steuer summte gewöhnlich
eine der wenigen eintönigen Weisen vor sich hin und
unter den Ziehenden gab es allemal Anlass zu Lachen und Heiterkeit,
wenn Einer in dem ahgelaufenen Uferlehm stecken blieb oder,
wie dies gelegentlich passirte, ins Wasser gerissen wurde.
Wir hatten übrigens jetzt noch die beste, aber letzte Gelegenheit
Ostiaken kennen zu lernen, denn, wie erwähnt, sind sie oberhalb
Bereosoff schon mehr russificirt und werden es je weiter um
so mehr.
Am Vormittage des 12. September, an einem trüben, unfreundlichen,
regnerischen Tage, winkten uns endlich die Kirchthürme von
Bereosoff entgegen, denn an der Lage würden wir den Ort vielleicht
nicht wieder erkannt haben. Die Sosswa war zu einem
mittelmässigen Flusse geworden und durch einen breiten Strand aus
zähem Lehmboden von der Stadt getrennt. Auf einem schlüpfrigen
Plankenwege gelangte man zur letzteren oder umgekehrt auf die
Lotka, welche für Graf Waldburg und mich nach wie vor Wohnungsschiff
blieb, während Dr. Brehm ein Quartier in der Stadt
bezog. Es war übrigens nichts Angenehmes in tiefster Dunkelheit
über die glatten Bretter nach unserem Schiff zu gehen. Doch fanden
die Hunde die Sache weniger bedenklich und statteten uns, ihren
Diebsgelüsten folgend, schon in der ersten Nacht so zahlreiche Besuche
ab, dass wir' gründlich gestört wurden.
Unsere erste Visite galt selbstredend dem Ispravnik, bei dem
wir Briefe und Zeitungen (bis zum 1. resp. 3. August reichend)
vorfanden. Dann begrüssten wir den Kreisarzt Dr. Krzywicki, in
dessen liebenswürdiger Familie wir zwei Mittage angenehm verbrachten.
Wie die meisten deutschsprechenden Mediciner in Russland
hatte der Doctor auf der Universität Dorpat studirt und später
viele Jahre in Nertschinsk zugebracht. Seine reizende Frau, eine
Polin, war wie die Töchter mit dem neuen Wohnorte keineswegs