einen alten Stollen statt des sonst üblichen Thurmes zn benutzen,
und dadurch sein Etablissement so billig herzustellen, dass es nur
600 Rubel kostete. Aber, was mehr ist, Herr Funk erlernte auch
ohne andere Hilfe als die von Büchern die Herstellung und zwar
so trefflich, dass sein Fabrikat, mit welchem er uns überreichlich
ausstattete, sich sehr wol neben anderen sehen lassen darf. So
versorgt er jetzt ganz Sibirien mit Schroot, was indess nicht wegnimmt,
dass auch noch solcher in bohnenartigen Stückchen „Eisen“
bestehend verfertigt und gekauft wird, auch ich liess mir dies Curio-
surn des Tjumener Marktes nicht entgehen!
Der erwähnte Schacht Hegt in dem sehr hohen rechten Ufer
der Bamaulka, die vor ihrer Einmündung in den Ob zu einem
Sparteiche gestaut ist, welcher Wasser für die Hüttenwerke liefert.
Wir passirten diesen Teich und benutzten die Gelegenheit, einige
fleissige Knaben nach Muscheln grabbeln zu lassen und erhielten so
Anodonta anatina, Limnaea stagnalis und die reizende L. auricularis.
Im Uebrigen lernte ich nicht mehr von Barnaul kennen, als dass
die Stadt,*) wie alle sibirischen sehr ausgedehnt ist und den Eindruck
macht, als besitze sie 30,000 statt 13,000 (13,527) Einwohner.
Die breiten, geraden, rechtwinkligen Strassen sind ungepflastert, die
Häuser meist aus Holz. Doch giebt es auch eine Anzahl aus Ziegeln
erbauter. Darunter die auch im Aeusseren meist sehr würdevollen
und stattlichen Kronsgehäude, wie die 1789 gegründete Bergschule,
zur Ausbildung für Steiger und Obersteiger, in deren Räumen sich
auch das Museum befindet, das Bergamt, die Apotheke, das Invalidenhaus,
die alte und neue Schmelzhütte, welche ein sehr grosses Areal
einnehmen, Kirchen u. s. w. An der Moskau’schen Strasse die mit
ihrer Doppelreihe Bäumen eine hübsche Avenue bildet, steht auch
die kleine massive protestantische Kirche, an der schon seit hundert
Jahren „wegen der deutschen Bergbedienten“, wie Pallas sagt, ein
Geistlicher angestellt ist. Die MitgHeder der kleinen Gemeinde
scheinen sehr eifrig. Wenigstens sehHesse ich dies aus der rührenden
Aufopferung einer deutschen Dame in Schlangenberg, welche die
weite und beschwerliche Reise nach hier nicht scheut, um an den
hohen Festen SoH in der Kirche zu singen.
Barnaul bildet ein Hauptcentrum des geistigen Lebens in Sibirien,
*) Ausführliche Beschreibung nebst Plänen, ebenso über die socialen Verhält
nisse hei Ledebour (I. p. 365. 386).
wie dies bei der nicht unbedeutenden Zahl hier wohnender Beamten
sehr erklärlich ist, von denen der grössere Theil ja in Europa erzogen
wurde und seine Kinder zur Ausbildung ebenfalls dorthin
schicken muss. Seitdem das in Ost-Sibirien gewonnene Gold (jährlich
1000 bis 1200 Pud) nicht mehr hier, sondern in Irkutsk eingeschmolzen
wird und dadurch eine Anzahl Beamte dorthin versetzt
wurden, soll es indess viel stiller geworden sein. Immerhin scheint
auch jetzt der gesellige Verkehr, über den wir uns übrigens nie
absprechend äusserten, wie uns dies Herr Poljakow (im Ssibir) unterschiebt,
ein recht lebhafter zu sein. Dafür sprechen die 30 Klaviere,
welche Barnaul aufzuweisen hat, die schön und elegant eingerichteten
Häuser. Sogar Blumenlurus wird getrieben und ich lernte einen
deutschen Gärtner kennen, der Treibhäuser und kunstgemäss angelegte
Gärten zu pflegen hat. Doch ist das Clima,*) namentlich die
oft sehr strenge Winterkälte, dem Gartenbau im Ganzen nicht günstig.
Der gewöhnlich sehr heisse Sommer zeitigt indess Wassermelonen
(Arbusen), Blumenkohl und andere feinere Gemüse; auch gedeiht
bei besonderer Pflege sogar der Apfelbaum.
Dass es sich übrigens in Barnaul leben lässt, bewiesen uns die
opulenten Dinners und Frühstücke, denen wir beiwohnten. Die Ueber-
fülle der Küche hat wol aber ihren Hauptgrund in den, nach unseren
Begriffen, fabelhaft billigen Preisen.**) So kostete das Pud (321/2
Zollpfund) Rindfleisch 1—11/2 Rubel (2—3 Mark), Schweinefleisch
2‘/2 R„ Butter 4—5 R. das Pud, Roggenmehl 30 Kop., Weizenmehl
1 */2 R. So wurde uns wenigstens gesagt. Colonial- und
europäische Waaren überhaupt, welche die Hausfrauen übrigens nicht
mehr wie früher in Irbit kaufen zu lassen brauchen, da Barnaul
reich assortirte Läden aller Art besitzt’, sind natürlich verhältniss-
mässig ungleich theUrer. So bezahlte ich (in Tomsk) für das Pud
*) Vergl.: Ledebour I. p. 361 und über das des Altai überhaupt die beachtenswerte
Abhandlung Tepluchow’s in Cotta’s Altai (p. 229).
**) Ledebour notirt 1826 für Barnaul: das Paar Birkhühner 15—20 Kop.
Kupfer (Assignaten 1 Bubel = 60 Kop. Silber), das Paar Haselhühner 12—15 Kop.,
das Pud Bindfleisch 60—80 Kop., das Pud Weizenmehl 40 Kop., 2*/2 Pfund Butter
50 Kop. — Zum Vergleich sind die Preise welche Pallas (HI. p. 5) 1771 in
Krasnojarsk fand, interessant: Das Pud Bindfleisch 15 — 25 Kop., Weizenmehl
47a—5 Kop., Boggenmehl 2 — 3 Kop., ein Beh (mit Haut und Fleisch) 15 Kop.,
ein Bind l ‘/a E., ein Schwein 30—50 Kop., ein Schaf 30 Kop., ein Pferd 3 B. —
Dann findet man die Angabe Gmelins, dass ein gewöhnlicher Arbeiter (1734) mit
10 Bubel jährlich auskommen könne, allerdings begreiflicher. —