Hier ragten die steil abfallenden Ufer an 800 Fuss hoch, waren
aber weit zurückgedrückt durch den Absturz eines, mehrere hundert
Fuss breiten Stückes Hochufer, das, mit Bäumen und Allem was
darauf wächst, herabgerutscht, jetzt eine Vormauer des eigentlichen
Ufers bildete. Die Wände desselben bestehen aus Sand und Mergel
der hier und da, gleich Mehl aus dem Loche eines Sackes, allmählig
herabrieselt, bis zu dem nahen Gestade des Flusses, während die
untere Schicht aus fast zu Stein erhärtetem Mergel gebildet wird.
Längs dem Uferrande finden sich, wie so häufig am Ob, allerhand
oft von Eisen incrustirte Rollsteine der verschiedensten Art, die wol
nicht lediglich mit dem Eise angespült wurden, denn ich fand sie
zu meinem Erstaunen auch auf der Höhe der Uferberge.
Ein solcher Erdrutsch oder Sturz, bei dem sich nach den Berechnungen
Poljakoff’s 20—30,000 Kubikfaden Erde ablösen, muss
in der That ein gewaltiges Ereigniss sein. Die durch das plötzliche
Eindringen dieser enormen Masse emporgedrückte Wassermasse
erzeugt zwei mächtige Wellen, eine stromauf, die andere
entgegengesetzt laufend. „Sie sind beide gleich lebensgefährlich
für Diejenigen, welche die Katastrophe auf dem Wasser ereilt, sei
es auch in einer Entfernung von 15—20 Werst von der Stelle des
eigentlichen Ereignisses.“ So nach der packenden Schilderung,
welche Poljakoff über solche Erdrutsche giebt, und zwar auf Grund
der Aussagen der Uferbewohner, die, wie es scheint, nur durch ein
wahres Wunder entgingen, um als Augenzeugen überhaupt berichten
zu können. Ebenso auffallend klingt die Erzählung, dass bei der
allgemeinen Vernichtung von Tausenden von Wasserbewohnern nur
die Nelma diesem Schicksal entgeht, wie Herr Poljakoff meint „ein
Zeugniss für das Vermögen dieses Fisches dem fürchterlichen
Anprall und der Kraft der Welle erfolgreich zu widerstehen!“
Die Uferberge sind von dichtem Walde, aus Kiefern, Fichten,
seltener Lärchen, gemischt mit etwas Laubholz (Birken, Eschen,
Ebereschen) bedeckt und gewähren einen weiten Blick auf die
Niederung des Irtisch, dessen niedrige Fluthmarke sich jetzt recht
bemerkbar macht. Auch in anderer Hinsicht boten diese Wälder
Interessantes. Längs dem Höhenrücken fanden sich nämlich eigen-
thümliche Schlagfallen in unzähliger Menge aufgestellt. Man wandelte
gleichsam in einer Promenade von Schlagfallen, die in kurzen Abständen
zu eins bis drei den ausgehauenen Pfad mehr versperrten
als zierten. Sie bestanden aus drei bis vier, an zehn Fuss langen
Baumstücken, die durch einen Hebel künstlich hochgehalten wurden-,
um sofort herabzufallen, wenn der Fuss eines Thieres den mit
einigen Reisern bedeckten Laufpfad und somit das Steilholz berührte.
Freilich lassen sich derartige Fallen nur in einem Lande anbringen,
wo man weder auf Schonung von Wild noch Holz Rücksicht zu
nehmen hat, denn unsere Grünröcke würden derartige Instrumente
trotz der ingeniösen Einrichtung ein für allemal con-
demniren.
In diesen Fallen, russ. Slopzi, welche in ganz Sibirien üblich
sind, fängt man nicht allein Auer-, Birk- und Haselhühner, sondern
auch Hasen und da sie bei der Schwere der Balken im Stande
sind einen Wolf todtzuschlagen, so kann man sich denken wie
platt z. B. ein Haselhuhn gedrückt wird. Gmelin (II. p. 235—24),
Pallas (2. p. 226 t. VII) und Hofmann beschreiben sie ausführlich;
der Letztere zugleich auch alle übrigen im Ural üblichen Fangmethoden,
die (p. 36—49, No. 1—15) durch Illustrationen veranschaulicht
werden.
Diese Fallenstellerei lieferte uns übrigens manchen willkommenen
Braten, da in Samarowa sonst so gut als Nichts zu haben war.
Denn was nützten uns- die Schaaren schöner Haustauben? Gelten
sie doch als Symbol des heiligen Geistes, in ganz Russland als
heilige Vögel, die demgemäss nach Belieben schalten 'und walten
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