nämlich heut nicht arbeiten, nicht etwa weil er sich betrunken
hatte, was begreiflich und verzeihlich gewesen wäre, sondern weil
es der Wind nicht erlaubte! Die Schmiede, welche unmittelbar neben
den Häusern des Dorfes stand, war nämlich offen und da der Wind
gerade auf das Letztere zuwehte, so stand zu befürchten, dass er das
leichte Holzkohlenfeuer fortführen und das Dorf gefährden werde.
So mussten wir denn, entgegengesetzt einem Segelschiff, auf Windstille
warten, die am ändern Morgen auch glücklich eintrat, so dass
wir gegen 11 Uhr glücklich weiter kamen.
Obgleich ich bei der Schmiedeoperation zuweilen zum Rechten
sah, fand ich doch Zeit mich bei dem Dorfe zu ergehen, welches
aus wenigen Häusern bestehend weniger Aufmerksamkeit verdiente,
als die dabei liegenden armseligen Kirghisenjurten. Ich stieg das
ziemlich hohe Irtischufer hinab und betrat das reich mit schönen
Bäumen besetzte, theilweis noch überschwemmte Vorland. Hier
waren in rohen Umzäunungen von Flechtwerk Ställe für das Vieh
und die Gärten der Kosaken angelegt. Sie schienen sehr wol gepflegt
und zeigten, dass neben Arbusen (Wassermelonen) auch Tabak
gebaut worden war. Das ziemlich hohe Ufer des Irtisch bestand
meist aus Sand und erhielt dadurch stellenweis ein dünenartiges Ansehen.
Es überraschte mich in diesem Sande überall Nester von
unreinem Gyps zu finden, der zuweilen cristallinische Formen zeigte
und von denen ich natürlich eine Anzahl Proben sammelte. »Die
Kosaken waren mit diesem Mineral sehr wohl bekannt, brannten es
im Backofen und benutzten es zum Weissen der Stuben. Pallas erwähnt
des Vorkommens von Gyps im losen Ufersande des Irtisch
und dieser Benutzung übrigens schon von Jamischowskaja, 3 Stationen
vor Pudpusknaja (Reise II. p. 483).
Ornithologisch war es mir auffallend, dass der Haussperling
nicht in allen Kosakendörfern dieser Linie vorkommt.
Meine Reisegefährten, denen die Schmiederei zu lange gewährt
hatte, waren inzwischen vorausgegangen, um längs des Irtisch, auf
dem es von Enten wimmelte, zu jagen. Aber ich musste lange
suchen und mit den Wagen verschiedene Querzüge unternehmen,
ehe ich sie fand, denn es waren inzwischen Wetter aufgezogen, die
Graupenschauer herniedersandten, welche oft auf kurze Strecken
alle Aussicht benahmen. Die durch solche schwere Wolkenbildungen
hervorgerufene Beleuchtung war oft höchst effectvoll und gewährte
die wunderbarsten Bilder von Farbeneontrasten, von denen ich nur
eins hier meinem Tagebuche entnehme. Der Himmel erscheint in
tief blauschwarze Wolken gehüllt, die im Süden zackenartig, gleichsam
in Franzen bis fast zur Erde herabhängen und hier den von
der Sonne beleuchteten graugelben Horizont in scharfen Umrissen
markiren. Dieser unheimlich helle Horizont strahlt magisch einen
fast orangegelben Mittelstreif über die schwarze, allmälig sich von
Braun in tief Braungelb abschattirende Steppe, der in der Entfernung
sich mehr und mehr yerschmälernd lebhafter orange erscheint,
während er an dem breiten Beginne in eine geisterhaft grünfahle
Färbung übergebt. Sind die Wolken und mit ihnen die Schnee-
und Hagelschauer vorüber, dann lacht, wie auch bei uns im April,
ein heiterer Himmel. Die Luft wird warm und damit erscheinen
andere Bilder, Luftspiegelungen (Mirage), die am Horizont bald
einem wallenden Kornfeld, bald einem mit Wald begrenzten See
ähnliche, unbestimmte flimmernde Bilder hervorzaubem. So fehlt
es also „in dem ewigen Einerlei der Steppe,“ wie sich Gustav Rose
hei Beschreibung dieser Tour ausdrückt, keineswegs an Abwechselung,
obwol auch ich im Uebrigen nichts Merkwürdiges von ihr zu berichten
wüsste. Freilich erregten für Neulinge wie wir die Heerden
der Kirghisen noch immer Aufmerksamkeit und ganz besonders
interessirte es uns als wir zuerst in Wagen eingespannte Kameele
sahen. Es machte einen ungemein komischen Eindruck die hageren
Missgestalten in der Gabel eines kleinen Bauernwagens gehen zu sehen,
um einen Sack Saatkorn auf’s Feld zu schaffen, der für den Rücken