Nebenflüsse der Buchtarma Zuströmen. Anfangs ging es bergauf und
bergab durcb mehr oder minder liebte Wälder (Lärchen mit etwas
Birken), die oft Blossen mit herrlichen, blumenreichen Wiesengründen,
und wahre Dickichte von Sträuehern und anderen Gewächsen*)
zeigten. Nach und nach verschwanden die Wälder, die Wiesenflächen
wurden breiter, die Yorberge erschienen mehr grün, und die
herrlichen Schneeberge zur Linken traten weiter zurück. Wir hatten
in ihrem Genüsse, ihren wechselnden Bildern, die zuweilen Blicke
auf höhere, weiter zurückliegende Sehneepics eröffneten, sieben Stunden
lang fast ununterbrochen geschwelgt, uns aber noch nicht satt gesehen.
Zwischen der dritten (Bereosowsk) und vierten Station
(Salonowa) mussten wir von den schönen Alpenlandschaftsbild em
für immer Abschied nehmen. Die Schneeberge verschwinden hier
ganz und machen jenen grasbedeckten grünen oder ganz -kahlen
Hügelreihen Platz, die je länger, je langweiliger werden. Dennoch
sind sie keineswegs reizlos, sondern die üppige Vegetation zu beiden
Seiten des meist engen, sich längs den Hügeln bergan und bergab
windenden Weges, für jeden Naturfreund unendlich anziehend.
Spiraen, Lonicera tatarica, Rosen (eine hell und dunkel rosafarbene, und
eine weisse unserer Theerose ähnlich) wilde Pfirsichen (mit kirschen-
grossen weissen Früchten: Amygdalus nana) bilden förmliche Dickichte,
die durch Wicken, Winden und wilden Hopfen noch enger verwachsen
sind. Dazu eine Menge hoher Doldengewächse, wie wilder
Kümmel, wilder Spargel, Schirling und eine Unmasse blühender z. Th.
sehr schön buntfarbiger Blumen: Carum, Bunium, Cicuta, Asparagus,
Trichophyllus, Iris, Orchis, Orobus pisiformis, Clematis integri-
folia etc. Weit ärmer als die Flora erschien die Fauna. Die Haupterscheinungen
der Vogelwelt waren: hie und da ein Adler, schwarz-
ohrige Milane (Milvus Govinda) Thurmfalken, fast weisse Steppenweihen,
Feldlerchen, Maskenbachstelzen, Schwarzkehlchen, (Pratíncola
rubicola), Zaunammer, Bienenfresser; in den Strauchdickichten die
Dorngrasmücke (Sylvia cinerea), der rothriiekige Würger (Lanius
collurio); in den Hügelreihen einzelne Turpans (Vulpanser rutila)
und ein weissbürzeliger Segler, den ich sogleich als eine bisher nicht
*) „Bosen, Johannisbeere (Ribes petraeum und atropurpureum), Seidelbast
(Daphne altaica), Spiersträucher (Spiraea flexuosa), Weiden (darunter Salix chamae-
drifolia); auf den Wiesen: Orchis militaris, Anemone sylvestris, Papaver alpinum
und andere, dabei eine schöne Campanula; jetzt Alles in schönster Blüthe“ Graf
Zcil (in litt.). : , ; ■ . : ;
gesehene Art erkannte. Es war Cypselus pacificus wie ein Exemplar
zeigte, welches Dr. Brehm später in Salai'r erlegte, wo die Art auf
dem Kirchthurm nistete. Sie ist weit östlich und südlich verbreitet.
Seit Altaiskaja-Staniza erfreuten in den Dörfern wieder die lieben
Heimathsgenossen: Haussperling, Rauchschwalbe und Fensterschwalbe.
Von Säugethieren zeigte sich ein Hase, ich glaube der dritte oder
vierte, welchen ich bisher überhaupt auf unserer ganzen Reise gesehen
hatte. Murmelthiere (bobac) wurden ebenfalls beobachtet, am
häufigsten aber Ziesel (Spermophilus Eversmanni); auch der vogelartig
zirpende Nager, eine Pfeifhasenart (Lagomys)*) liess gegen Abend
seine merkwürdige Stimme ertönen.
Die Dörfer, ausser den bereits genannten nur noch drei (Med-
weka=Bärendorf, Soldatowa oder Talowka und Alexandrovsk**) zeichneten
sich durch stattliche Häuser aus und verriethen die Wohlhabenheit
ihrer Bewohner, auch wenn wir dieselben nicht zu
Geweht bekommen hätten. Aber die Nachricht, dass der Gouverneur
und Fremde durchkommen würden, hatte meist das ganze Dorf
versammelt. Es ist ein kräftiger, hübscher Menschenschlag, diese
meist blondhaarigen Altaibauern, und namentlich auch unter den
Mädchen und Weibern finden sich stattliche Gestalten mit nicht
unüblen Gesichtern. Die eigenthümliche Tracht der Frauen, bunte
turbanartig um den Kopf geschlungene Tücher, grellfarbige, meist
rothe Kleider und Halsketten aus grossen, grünen und weissen Glas*)
Es ist Lagomys pusillus, Pall., dieselbe Art, welche wir schon am Arkat
nnd später bis Barnaul sehr oft hörten, ohne nur ein Exemplar zu erhalten. Wie
schon Pallas bemerkt, kennen die Bewohner die Stimme des Thierchens, welches
einer meiner Kutscher „Wladka“ nannte, wol, aber die wenigsten haben dasselbe
zu sehen bekommen; daher die so widersprechenden Beschreibungen, welche die
Leute machen, und die also zu Vorsicht bei Erzählung der Eingehornen mahnen.
Ich wusste die Stimme desshalb nicht zu deuten, weil die Pfeifhasen, welche ich
in mehr als 13000 Fuss Höhe in den Bocky-Mountains hörte, einen wirklichen
„Pfiff“ hören liessen.
**) Dieses Dorf liegt in einer absoluten Höhe von 1735 Pariser Fuss. Es
wurde 1821 gegründet und zwar von Abkömmlingen jener entlaufenen Verbrecher,
Sträflinge und anderen Gesindels, welches sich hier der Gerechtigkeit entzog und
bis zum Jahre 1791 die Gegend, als Kamentschiki, d. h. Bergbewohner, bekannt,
unsicher machte. In diesem Jahre wurden sie von der Kaiserin Katharina begnadigt
und bekamen die Bechte zinspflichtiger Unterthanen, sogenannter Jassa-
schniken. Jetzt bauten sie Dörfer, von denen zu Ledebour’s Zeiten, der am ausführlichsten
über sie berichtet (p. 288 und 327) 8 existirten. — Siehe auch
Bose E p. 594.