zeuge in ihrer Art als Kunstwerke betrachtet werden. So ein Stück
Renthierhorn, welches aus dem Ganzen herausgearbeitet, einen drehbaren
Keil enthält und in höchst practischer Weise zum Anbinden
resp. Halten von Hunden und Füchsen dient (Vergl. die Abbildung
No. 25). Dann eine ebenfalls aus einem Stücke Holz geschnitzte
fünfgliedrige Kette (ost. Leüdi-juch), zum Aufhängen der Wiege.
Ferner ein Weiberruder (ost, Niä-lop), welches im oberen durchbrochenen
Theile lose, aus dem Ganzen herausgearbeitete, Querhölzchen
enthielt, die beim Rudern klappern, und welches zugleich
Zeugniss dafür ablegt, dass auch der Ostiak der Angebeteten seines
Herzens Opfer zu bringen weiss, die ihm jedenfalls mehr Mühe
kosten, als dem deutschen Jüngling „die Blumen, womit er seine
Liebe schmückt1-. Zugleich zeigt dieses Ruder (links auf Taf. I.
der Behrens’schen Photographien dargestellt) eingravirte Kreuze.
Sie finden sich als Verzierung öfters auf Birkenrinde-Gefässen (ost.
Son, solche für Wasser Jingel) und ihre Form ist nicht den Russen
entlehnt, die bekanntlich diese ganz dem eisernen entsprechende,
Form des Kreuzes nicht kennen. Ueberhaupt zweifle ich, nach genauen
Vergleichungen mit der russischen Ornamentik, nicht, dass
die hübschen Muster der Eingebornen eigenthümliche sind. Sie
kommen am meisten auf den Rindengefässen vor, ganz besonders
aber in Näharbeiten, entwickeln sich also vorzugsweis auf dem
weiblichen Arbeitsgebiete. Wie zierlich und kunstvoll solche Arbeiten,
denen auch Middendorff (p. 1423) Bewunderung zollt, sein
können habe ich bereits erwähnt, sowie die stete Rührigkeit und
den Fleiss ostiakischer und samojedischer Weiber hervorgehoben,
die in der That in vielen Dingeu eine grosse Fertigkeit besitzen.
Ihre treffliche Methode mit Hirn und Eigelb sämischgahres Leder
zu bereiten, fand Middendorff (p. 1418) bei seiner Rückkehr aus
dem Samojedenlande in Dingler’s Polytechnischem Journal als eine
neue Erfindung gepriesen. Auch die sauber aus einer steifen Grasart
(ost. Päzlang) geflochtenen Matten (ost. Tachar oder Nore),
welche zuweilen schwarze, mittelst Kochen in Weidenrinde gefärbte
Muster zeigen, sind bemerkenswerthe O ' Arbeiten ostiakischen Frauenfleisses.
Hinsichtlich der Stellung der Frauen der Samojeden und Ostiaken
lässt sich nicht läugnen, dass dieselbe eine untergeordnete ist,
und dass, wie bei allen derartigen Naturvölkern, die Frau der geplagtere
Theil ist.
Aber Schilderungen wie die folgende von Kostrow*) malen doch
etwas zu stark schwarz und trüben die unbefangene Beurtheilung.
„Die unreine, arbeitüberladene Frau, die ihr ganzes Leben lang
Sklavendienste zu verrichten hat und dafür verachtet, geschlagen,
getödtet wird, (ein Ostiake soll seine Frau zu Tode geprügelt, ein
Samojede die seinige sogar verzehrt haben, wie Castren und Pallas
berichten) muss arbeiten, wie ein Pferd, und mag sie nun gut oder
schlecht, tugendhaft oder lasterhaft sein — es ist Alles gleich, sie
wird weder besser noch schlechter behandelt, sie hat das ganze
Haus zu verpflegen, und ihr einziges Verdienst und ihre Hauptpflicht
besteht in der Sorge um die Nachkommenschaft.“
Dass es mit dem „Zutodeprügeln und Aufessen“ der Frauen
nicht so schlimm sein kann, haben wir schon aus der geringen
Mordstatistik ersehen, und in der That basirt diese Anschuldigung,
welche die Moral und den Character eines ganzen Volksstammes
schwer verläumdet, auf einem von Castren (p. 238) mitgetheilten
Falle, in welchem es sich um die That eines Wahnsinnigen handelt.
Der andere Fall wird ebenfalls von Castren (p. 56, nicht von Pallas)
mitgetheilt, spielt unter den civilisirteren aber roheren Ostiaken des
Irtisch und darf, wie das von Poljakoff**) (p. 50) erwähnte Beispiel
aus Obdorsk, unter die Ausnahmen gelten, die bei uns eine weit
erschreckendere Statistik liefern würden. Jj Es ist daher jedenfalls
unrichtig, auf solche Ausnahmen eine Regel zu begründen, selbst
wenn auch Castren (p. 56) in Bezug auf die im Allgemeinen
schlechter behandelte Ostiakenfrau am Irtisch Recht hat. Nach
meinen Beobachtungen, die Middendorff’s (p. 1460) nur bestätigen,
erfreuen sich die Frauen der Ostiaken und Samojeden am unteren
Ob keiner schlechten Behandlung, und dass sie in häuslichen und
Familienangelegenheiten nicht gänzüch willenlos sind, haben uns
Frau Säkoff und Dame Sanda gezeigt. Wiederholt habe ich Weiber
gemeinschaftlich mit Männern essen, sogar Schamanenvorstellungen
beiwohnen sehen und wie Frau Mamrun ihren Gatten bei seiner
Visite begleitete, so führt Middendorff ähnliche Beispiele unter
Samojeden an (p. 1446). Immerhin gelten die Frauen in gewissen
Dingen (vergl. z. B. Schrenk p. 474, Midd. p. 1463) als unrein und
*) „Die Frau bei den Völkerstämmen im Gouvernement Tomsk“ in : Montags-
Blatt der St. Petersb. Zeit. 1876. No. 36.
**) Aber Poljakoff bemerkt ausdrücklich: „Das hier angeführte Beispiel bildet
keine Ausnahme“.