wickelt war als heut. Versprach doch damals die Aussicht auf Zobel
bedeutenden Gewinn und reizte zu solch abenteuerlichen Unternehmungen.
Wenn ich nicht irre war es Wiggins, der die von
seinen Landsleuten mitgetheilten Nachrichten auch für unsere Zeit
wieder nutzbar zu machen wünschte, und daraus mag wol schliesslich
das Project eines Canals zwischen Ob und Kara-Bai, mittelst
der Flüsse Schtschutschja und Podarata entstanden sein. Ganz abgesehen
von den anscheinend sehr ungünstigen Tiefeverhältnissen
an der Mündung der letzteren, habe ich bereits gezeigt, dass der
Fluss ein nicht schiffbarer ist. Die ansehnlich grössere Schtschutschja
bietet ganz ähnliche Verhältnisse und auch sie dürfen wir,
nach unseren Beobachtungen, unbedenklich und in vollster Ueber-
zeugung als n ich t sch iffb a r erklären!
Wie ich bereits zeigte, kam unsere nur leicht beladene, kaum
2 Fuss tief gehende Lotka schon nach einer Fahrt von etwa 100
Werst (in der Luftlinie kaum 70) wiederholt an Grund und konnte
überhaupt nur etwa 150 W. (ca. 90 in der Luftlinie) Vordringen,
wozu eine volle Woche erforderlich war. Dies geschah bei nahezu
höchstem Wasserstande (Ende Juli); denn kaum 10 Tage später
hatte die fast leere Lotka Schwierigkeiten, über manche Stellen
wegzukommen, während wiederum 14 Tage bis 3 Wochen später
(Ende August) der Fluss bedeutend gestiegen war, in Folge der
heftigen Regengüsse im Gebirge. Wie bei der Podarata und allen
Gebirgswässern ist der Wasserstand also ein sehr wechselnder, unzuverlässiger,
der für eineu nur irgendwie geregelteren Verkehr keinerlei
Garantie bietet. Wenn ich die Schiffbarkeit der Schtschutschja verneine,
so meine ich damit nicht nur, das grössere Fahrzeuge (Barschen
etc.) ausgeschlossen sind, sondern dass sie überhaupt niemals
im Stande sein wird Hilfe bei einem directen Waarenverkehr mit
der Kara-Bai zu leisten. Denn derselbe würde mit Lotken, die
höchstens 200—300 Pud zu laden vermögen, niemals zu vermitteln
sein, und selbst wenn dies genügte, bliebe immer noch ein ansehnlicher
Landweg übrig. Die nächste Entfernung zwischen Schtschutschja
und Podarata beträgt in der Luftlinie ca. 42 W. die von der
Schleppwegen bis Turuchansk am Jenissei. Vergl. „Purchas his Pilgrims“ Lond.
1625. vol. III. p. 530—556 und die ausführlichen Auszüge in Schrenk ,.Keise“ I.
p. 607^609 und II. p. 162—212. — In den Jahren 1734—1738 gelang es, nach
manchen vergeblichen Versuchen (unter Owzin, Minin und Sterlegoff) vom Ob den
Jenissei zu erreichen.
Russ. Expedition eingeschlagene Route an 48, unsere mehr westliche
daher weitere an 70 W. Da 'die Podarata aber, als nicht schiffbar,
ohnehin nicht in Betracht kommen kann, so handelt es sich
nur um die directe Entfernung bis zur Kara-Bai, die m gerader
Linie 70 Werst beträgt.
Dass bei der Beschaffenheit der Tundra nicht daran zu denken
ist, mittelst des einzigen überhaupt hier brauchbaren Zugthiers, dem
Ren, ein nur annähernd ausreichendes Transportmittel zu stellen,
wird Jeder bestätigen, der diese Gegenden kennt. Um nur ein m
dem „bequemen Hafen“ der Kara-Bai ankerndes Schiff von 600
Tons zu löschen und zp laden würden sämmtliche Renthiere des Obgebietes
bei weitem nicht ausreichen. Es bleibt also noch das
Canalproject übrig! Ich schweige von den gewiss grossen Schwierigkeiten,
welche ein bereits in weniger als 1 ‘/2 Fuss gefrorener Erdboden
bieten würde, übergehe Terrainhindernisse u. s. w. als gar
nicht vorhanden, sondern will Allen oder hoffentlich den Wenigen
die sich trotzalledem und Alledem immer noch mit dem Projecte
als ausführbar abgeben, den Suezcanal ins Gedächtniss rufen. Diese
zwei Erdhälften verbindende Wasserstrasse ist nur V'/i mal langer
als der Ob-Kara-Canal sein würde, erforderte 10 Jahre Arbeit und
kostete an 500 Millionen Franken! Im Jahre 1876 passirten ihn
fast 1500 grosse Schiffe und nahe an 70,000 Reisende. Würde
selbst für den Fall, dass die Ausführung des Projectes möglich wäre
und sich das ungeheure Capital dafür aufbringen liesse, nur jemals
an Rentabilität zu denken sein? Ich bezweifle es alle Zeit und
würde Niemanden anrathen nur 5 R. zur Ausführung herzugeben,
denn das Geld wäre rein weggeworfen. Wenn der Suez-Canal z. B.
den Weg von Indien nach London um 24 Tage abkürzt, so würde
der Ob-Kara-Canal in der That auch nicht die mindeste Zeiter-
sparniss erringen. Denn die bisherigen Fahrten nach dem Jenissei
und Ob haben zur Genüge dargethan, dass Wandertransporte per
Schtschutschja und Canal, wahrscheinlich längere Zeit kosten wurden,
als der Weg nordum die Weisse Insel. Wenn Capt. Dahl 1877
kaum 3 Tage von der letzteren bis zum Nadym, Capt. Rasmussen*
für dieselbe Strecke 4 Tage brauchte, so kann der erschreckend
*) Als Beispiel wie sich eine Dampferfahrt nach dem Ob stellt, gehe ich die
Daten über die des „Neptun“. (450 Tons). Derselbe yerliess mit emer Ladung
Kaufmannsgüter der verschiedensten Art am 14. Juli Hamburg, erreichte am