zubreiten und die üppigere Pflanzenwelt zu verdrängen schien.*) Es
verwunderte mich daher auch nicht hier den für die Steppe so
charactenstischen Gilbammer (Emberiza luteola) wiederzufinden der
übrigens seinen goldammerartigen Gesang auch von Felsen herab
..ertönen hess. Ausserdem zeigten sich Wiesenschmätzer (Pratincola
rubicola), Wachteln, Wachtelkönige, einzelne Male Kraniche und der
im kluge so edel erscheinende Zwergtrappe (Otis tetrax).
Gegen 97* Uhr Abends langten wir in Werchne Pristan (Werch-
naja Pristan) d. h. dem oberen Hafen oder vielmehr Ladeplatz am
Irtisch an. Obwol auf der c. 60 Werst (Ledebour) langen Strecke
ein Dorf am Wege liegt, so sind doch solche vorhanden und es
wurden uns zweimal Pferde zum Anspann herangetrieben. Die Gegend
enthalt übrigens , stellenweis trefflichen Boden für Cultur und ist
ziemlich angebaut.
. Werchne Pristan(400M. hoch Graf Waldbrg.**) ist kein Dorf sondern
besteht nur aus etlichen für die Aufseher bestimmten Häusern, hinter
denen sich, m plattenartiger Absonderung, phantastische Granitgebilde
erheben.
Am Ufer des Irtisch, der.in Wiesen dahinfliesst und bis zumEinfluss
der Buchtarma die Bezeichnung „der stille“ führt, übrigens gegen
den schwarzen Irtisch sehr unbedeutend erscheint, lagen grosse
Haufen Erze, die von Syrjanowsk in Wagen angebracht hier auf
grossen unförmlichen Fahrzeugen, Karbassen genannt, nach Ust-
Kamenogorsk verladen werden. Diese Transportweise ist erst seit
1804 durch General von Frolow eingeführt worden, da man früher
die Schifffahrt auf dem Irtisch für unmöglich hielt. Die Schiffe
welche bis 2000 Pud laden, brauchen zu der ca. 120 bis 150 Werst
langen Strecke thalwärts 14 bis 24 Stunden, bergwärts 3 5,***) zuweilen
10 Tage und machen in der Saison 9 bis 10 Fahrten. Da
wo es die steilen Felsufer nicht erlauben, die Schiffe mit Pferden
ziehen zu lassen, arbeiten sie sich mittelst durch' Böte ausgelegter
, . Sellr interessant war es mir später eine ähnliche Notiz über diese Geeend
bei Teplouchow (Cotta p. 287) zu finden.
) Also, ungefähr 1400 Fuss hoch; da Graf Waldbnrg für den Einfluss der Bueh-
tarma 385 M. '(= 1347'),- für Üst-Kamenogorsk 350 M. ( = ca. 1225'), Ledebour
für letzteren Platz ziemlich übereinstimmend 1262 und 1137 Fuss angiebt, so
durfte Helmersen’s Höhenbestimmung für Werchne Pristan zu 999 Fuss jedenfalls
unrichtig sein.
') Ledebour (p. 285) brauchte auf einem Kahne 4 Tage.
Anker stromaufwärts. Uebrigens führen sie auch an hohem Maste
ein sehr grosses, viereckiges Segel und ausser einem sehr langen
Ruder, zwei dito Remen, an welchen 7 bis 8 Knechte, meist Kirghisen,
arbeiten. Sie hatten sich freilich nicht sonderlich anzustrengen,
als wir am Morgen des 16. Juni (772 Uhr) auf einer solchen Karbass
den Irtisch hinabschwammen. Denn die Leute sind mit den Stellen
wo die Strömung das Fahrzeug gegen die Uferfelsen zu schleudern
droht, sehr wol bekannt und dann nicht lässig; gilt es doch ihr
eigenes Leben. Mit Hilfe solcher kundiger Ruderer ist die Fahrt
gefahrlos und gestaltete sich für uns zu einer ebenso angenehmen als
grossartigen. Angenehm insofern als wir die Freude hatten, wiederum
gemeinschaftlich mit dem Gouverneur von Poltoratzky, seinen liebes-
würdigen Damen und der Mehrzahl der uns von der Altai-Reise her
bekannten Herren (Obrist Choldijeff, Polizeimeister u. s. w.) zu reisen,
grossartig bezüglich der Landschaft.
Dieselbe ist anfangs wenig versprechend. Der Fluss zieht sich
in reichen, aber nicht von Yieh belebten Wiesen dahin, die von
kahlen, nur auf dem Scheitel spärlich mit Bäumen bestandenen Felsbergen
begrenzt werden, deren Thaleinschnitte aber überall höhere,
tief graublau gefärbte Höhenzüge durchblicken lassen. Aber kaum
nach halbstündiger Fahrt geniesst das Auge, gleichsam als Einleitung
für das nachfolgende Groteske, ein liebliches und doch markirtes
Landschaftsbild. Hinter den Weidendickichten und grünen Wiesen
erblickt man das Städtchen Ust-Buchtarminsk, dahinter eine weite,
düster graue Steppe, für welche ein isolirter, ansehnlich hoch erscheinender,
kahler, lichtgraugefärbter Berg den unmittelbaren Hintergrund
zu bilden scheint. Es ist die Mochnataja-Sopka (Rauhe Kuppe
kirghisisch Beritau), von welcher der Holzschnitt in Rose’s Reise
(p. 584) eben nur eine rohe Form des Umrisses zeigt. Hinter
dieser imponirenden Granitpyramide*) zeigten sich links kahle, grau
gefärbte Berge, und rechts, weiter zurücktretend eine sanft gerundete
dunkel violettblaue Bergreihe, auf dem schwarz-grüne Schatten und
die grün und einzeln röthlich gefärbten Kuppen wundervolle Lichteffecte
hervorzauberten. Diese Berge sind nach einem kleinen, der
Buchtarma zuströmenden Flusse Urmuchaika oder Urumchaika
genannt. —
*) Sie zeigt sich übrigens, wie Helmersen (p. 197) lehrt, nur von dieser Seite
aus in dieser Form und bildet eigentlich eine langgezogene dachförmige Kuppe.