ich mir, ihn nach dem um die Erforschung des „nördlichen Ural so hoch
verdienten Professor an der Universität Kasan „Kowalski-Kuppe“
zu benennen. —
In der Frühe des anderen Tages (3. August), der ohnehin zum
Rast- und Festtage bestimmt war, kam der Zimmermann zurück.
Seine Nachrichten lauteten allerdings nicht so, wie wir sie wünschten,
aber immerhin nicht ungünstig für uns. Er hatte einen Ostiaken
gefunden, der eben beschäftigt war seinen Gefährten, einen Tschum-
besitzer, zu begraben. Dieser, wie sein Knecht und zwei Kinder
waren schon Tags zuvor gestorben, Alle am Genuss eines an der
Seuche e rk ra n k te n Rens, welches der Besitzer, ein Geizhals,
noch vor dem Verenden desselben schnell geschlachtet hatte, um es
zu verwerthen. Nur die Wittwe und zwei Kinder waren noch am
Leben. Der Zimmermann brachte als Beglaubigung ein „Petschaft“
des Ostiaken, d. h. ein Stück Holz, welches sein Privatzeichen*)
und vier Kerbe, welche letztere die Zahl der Todten bezeichnen
sollten, eingeschnitten zeigte. Der Mann hatte versprochen im Laufe
des Abends zu kommen, verlangte aber einen Mann von uns, der
ihm beim Uebersetzen der Heerde nach dem rechten Flussufer und
zugleich die Todten beerdigen helfen sollte. Haiwai wurde daher
sofort mit Rengespan zu ihm abgesandt, denn der alte Dschunschi
hatte Misstrauen gegen den Mann und hielt es nicht für unmöglich,
dass er trotz des gesandten Siegels heimlich fortziehen könne. Der
Verdacht war ungerecht gewesen, denn am Abend erschien er wirklich
mit zwei Rentroiken, und es entspann sich eine jener langwierigen
Verhandlungen, die ich bereits schilderte. Sie gipfelte in
dem Resultate, dass der .biedere Sanda, so hiess der Mann* sich
gegen ein Entgelt von fünfzehn Rubeln willig zeigte, uns mit
zwanzig Ren nach „dem Meere“ zu fahren, für welche Zahl, als
seine eigenen Thiere, er das Risico übernahm. Die Reise sollte
„von einer warmen Zeit zur anderen,“ also eine Nacht dauern; ich
verpflichtete mich nur einen Tag am Meere zu verweilen und in der
nächsten „kalten Zeit“ wieder zurückzukehren. Ausserdem musste
ich in einem beim Sassjedatjelj in Obdorsk zu deponirenden Schriftstück
bescheinigen, dass der Mann nur unseren speciellen Wünschen
gefolgt sei, um sich in seinem Marsche nach der Schtschutschja
*) Solche Stempel oder FamilieDzeichen, Klenjo oder Piltime genannt, gelten
als Unterschrift selbst hei Behörden (Schrenk I. q. 510).
aufhalten zu lassen, für den Fall, dass für die ihm grösstentheils
nicht gehörende Heerde Nachtheil durch diesen Aufenthalt entstehen
sollte. Gegen diese Bedingungen war nichts einzuwenden, denn
Sanda war eben kein Heerdenbesitzer, sondern nur ein Hirt, und
seine Vorsicht für die ihm anvertrauten Thiere gewiss nur lobens-
werth. Ausser einer den Verhältnissen angepassten mageren Bewirthung,'
die eben nur in Thee und Zwiebäcken bestehen konnte, erhielt
Sanda fünf Rubel als Handgeld, einige Geschenke, und lud uns, da
Regen drohte, nach seinem Tschum ein, der nicht weit entfernt sein
sollte. Hat, unser braver ostiakischer Führer, der seit heute morgen
über Leibschmerzen klagte und nicht mehr gut marschiren konnte,
wurde auf einen Schlitten geladen, wir Uebrigen gingen zu Fuss, in
Bezug auf das „nahe“ allerdings einer bitteren- Täuschung entgegen,
denn erst nach zwei Stunden, um Mitternacht, langten wir bei dem
Tschum sehr erschöpft von dem heillosen Birken- und Weidengestrüpp
an. Ich schlug mein Mückenzelt im Freien auf, wurde aber schon nach
kurzer Zeit von einem heftigen Regen genöthigt, mir im Tschum,
der bereits von Schlafenden dicht besetzt war, zwischen Menschen
und Hunden einen Sitzschlafplatz zu erobern.
Der Morgen (4. August) brachte kühles Wetter und neue
empfindliche Verluste an Ren; auch der unseren zwei zählten unter
den Opfern, was sich schon durch die Zeichen feststellen liess, mit
welchen die Heerdenbesitzer ihre Thiere an den Ohren u. s. w.
markiren. Am Nachmittage waren die Vorbereitungen zur Abreise
nach dem Meere ’beendet und um 3 Uhr konnten wir, nur vom
Zimmermann, der das vorderste Gespann kutschirte, und Martin
Dserwit begleitet, mit sechs Schlitten abfahren. Die ganze Heerde
folge uns, denn Sanda hatte sich entschieden alle Thiere, etwa 200,
mitzunehmen und dies war jedenfalls das Sicherste, da sich sonst
leicht welche verlaufen haben würden. Es gewährte schöne, wechselvolle
Bilder, einen kleinen Wald von Geweihen, grunzend und hufeknisternd
bald vor, bald hinter, bald neben uns her laufen zu sehen,
getrieben von einigen Hunden und dem Sohne Sanda’s. in einer
Troika. Unser Weg führte über Tundra längs Teichen und .Seen
wie oben geschildert, aber wir hatten die elastischen Sumpf strecken
und entsetzlichen Weiden- und Birkendickichte dies mal nicht selbst
zu durchwaten, sondern fuhren bequem in Schlitten, und das war
eine sehr angenehme Abwechselung.
F i n s c h , Reise. I. 29