Segler resp. Dampfer, der Untiefen bei Che wegen (vergl. Karte
No. IY), sehr schwer zu erreichen. Nur unter fleissigem Lothen
ist die Mündung des Nadym unter sehr erschwerenden Umständen
zu erreichen zur Zeit der Wasserfülle des Ob. Bei einem Tiefgange
von nur 83/4—9 Fuss, wird es sehr schwierig Obdorsk zu erreichen.
Es wird daher dieser Ort wol nie ein Stapelplatz für Sibirien werden“.
Nach einer Mittheilung in den geographischen Blättern
(II. p. 262) ist von Pui'kowa, in der Obmündung, bis zum Nadym
selten mehr als 7 Fuss Tiefe.
Für die Segelschiffe wird also hier (beim Tschumplatz Linsita)
oder noch tiefer im Meerbusen ein Lösch- und Ladeplatz zu errichten
sein, aber auch in diesem Falle kann Obdorsk nur gewinnen,
indem es die Hauptartikel für den Tauschhandel mit den Ein-
gebornen dann direct aus erster Hand bezieht. Der Seeweg eröffnet
also auch für Obdorsk günstige Perspectiven!
Obdorsk ist die nördlichste stationäre menschliche Niederlassung
in West-Sibirien, und unter allen in gleicher Breite belegenen in
ganz Sibirien am bedeutendsten. Es liegt nach den Berechnungen
von Kowalski unter 66. 30. 47, 91 Fuss über dem Meere, am
rechten Ufer des Polui, der sich 4 W. unterhalb in den grossen Ob
ergiesst. Der Polui, nach Castren vom Finnischen „Oja-puoli“
d. h. Flusshälfte abgeleitet, ist ein hübscher Fluss, fast so breit als
die Weser bei Bremen, über den, wie bereits angedeutet, leider sehr
wenig bekannt ist. Der Sassjedatjelj kannte den Fluss nur 40 W.
stromaufwärts, wo sich etliche Tschums befinden; sonst scheint er
unbewohnt. Eigenthümlich war seine gegen Ende August mehrere
Tage lang fast grüne Färbung. Graf Waldburg, der solches Wasser
mitbrachte und durch Güte von Herrn Dr. Zeller wissenschaftlich
untersuchen liess, schreibt mir hierüber: Diese grüne Färbung entsteht
aus unzählbaren Massen von Limnochlide flos aquae „Wasser-
blüthe“ (auch Aphanizomenon und Sphaerozyga genannt). Ausser-
dem fanden sich aber an 12 Arten Diatomeen, in der den Fluss
in einer gemischten Masse bedeckenden und herabschwimmenden
Algenmasse.
Von den 206' hohen Hügel, auf. welchem sich die Kirche erhebt,
geniesst man eine wundervolle Aussicht. Man übersieht den
Polui mit seinen verschiedenen Wasseradern in reicher Wiesenlandschaft,
erblickt nach Osten zu die hohen bewaldeten Ufer des Ob,
und das Ganze wird im Westen durch die schön geformte Kette
des Ural, das sogenannte „Obdorskische Gebirge“, malerisch begrenzt.
Sie liegt nach Erman (Reise I. p. 692), der den Winter
1828 in Obdorsk zubrachte, nur 75 W. entfernt und zeichnet sich
vor Allem durch den 4340' hohen Pae-jerr*) aus. Ich versäumte
es leider, die wenigen Male, dass wir das Gebirge in voller Schärfe
und Klarheit vor uns hatten, eine Scizze zu machen, denn gewöhnlich
war der Ural, wenigstens theilweis, in Nebel und Wolken
gehüllt und zeigte schon am 20. August frisch gefallenen Schnee.
Die Umgebung von Obdorsk besteht in öder, nur hie und da
mit Krüppelbirken bestandener und von dünenartigen Sandhügeln
durchsetzter Tundra, da die Bäume längst ausgerodet wurden;
schon Sujew gedenkt (1771) der kahlen Gegend. — Das Brennholz
kommt daher 10—20 W. vom Polui und Ob herunter und bildet
einen ziemlichen Handelsartikel, da die im Herbst ankommenden
Dampfer z. Th. hier Holz einnehmen. Der Quadratfaden Lärchenholz
kostet 3 R. Wie wir übrigens gesehen haben findet sich noch
unterhalb Obdorsks Baumwuchs und schon jenseits der Scheitanka
beginnt eine Art Wald. Er war jetzt das Ziel der weiblichen Bevölkerung,
welche jeden Morgen in Boten nach dort auszog um
Beeren**) zu sammeln, von denen das Waldgebiet des Nordens ja
wahren Ueberfluss aufzuweisen hat. Vor Allem ist es hier noch
die Moroschka (Rubus chamaemorus), die bei allen Nordländern so
beliebte Moltebeere, welche auf Tundraboden wuchert. Auch die
kleine, aber ungemein süsse arctische Himbeere (Rubus arcticus),
dringt noch bis hier vor. Ausserdem die Heidelbeere (Yaccinium
myrtillus) russ. Tscherniza, die Sumpfheidelbeere (V. uliginosum)
*) Nach Castren der „Fürst des Ural“ oder „Herr der Berge“ (p. 275), aber
nach Schrenk von Pae == Berg und Jer = Mitte, soviel als Mittelberg bedeutend.
Es giebt übrigens zwei Erhebungen dieses Namens im Ural; der von Obdorsk
aus sichtbare ist der nördliche, höchste. Er erreicht übrigens nicht die Höhe des
Deneschkin, welche Hofmann zu 5027' angiebt, dessen auf dreijährige Forschungen
basirtes Eeisewerk die Hauptquelle für den nördlichen Ural bildet. Ueber Ausdehnung,
Richtung, allgemeinen Character u. s. w. desselben vergl. p. 124, 125,
159 und 191, sowie Schrenk p. 444 und 445. — Wichtige Mittheilungen über
Geologie, Barometer- und andere physikalische Beobachtungen im Ural giebt
auch Helmersen .im 6. Bändchen der „Beiträge zur Kenntniss des Russischen
Reichs“ (1843).
**) Ich brachte von fast allen Arten reife Früchte in schwachen Spiritus mit,
in welchem sie sich sehr gut gehalten hatten, und übergab sie dem rühmlichst
bekannten Botaniker Herrn Dr. F. Kurtz in Berlin.