getauft sind. So verzeichnet Schwanebach auf Grund officieller
Quellen im Petersburger Kalender für das Jahr 1876 für das Gouv.
Kasan 11,351, für Perm 18,456 und für Wiatka 10,595 „Heiden”.
Und der Graf von Waldburg-Zeil erfuhr auf der Rückreise in Kasan,
wo er sich längere Zeit aufhielt, von unterrichteter Seite dasselbe.
Noch heut hängen, selbst die getauften Tscheremissen dem fecha-
manenthume an und versammeln sich im Dunkel der Wälder um
den alten Göttern zu opfern. Ihr Treiben ist aber ein so geheimniss-
volles, dass es äusserst schwierig, wo nicht unmöglich wird, etwas
zu erfahren. Man spricht sogar davon, dass ein zufälliger oder absichtlicher
Belauscher solcher Zusammenkünfte, wenn entdeckt, mit
dem Tode büssen müsse und sucht auf diese W eise das plötzliche
Verschwinden einzelner Porstbeamten zu erklären. Da diese alten
Gebräuche, an denen mit solcher Zähigkeit festgehalten wird, sich wohl
nicht veränderten, so bleiben die Schilderungen der älteren Reisenden
noch heut werthvoll und es dürfte genügen wenn ich hier nur auf
J. G. Gmelin (Reise I. p. 94 und 100), Rytschkow (Tagebuch über
seine Reisen durch verschiedene Provinzen des russischen Reichs
1769 — 71 p. 83—101) und Pallas (Reise III. p. 481—483) verweise
. Die Tscheremissen gehören mit den Mordwinen zum südlichen
finnischen Sprachstamme und bewohnen die Gouvernements Nishnej-
Nowgorod, Kasan, Perm, Kostroma, Orenburg und Wiatka. Ihre
Gesammtzahl beläuft sich nach Castren auf 200,000 Seelen (nach
v. Lengenfeldt 1875 auf 210,000), wovon über 67,000 im Gouvernement
Kasan, vorzugsweis am linken Wolgaufer ansässig sind. Wir lernten
sie eben nur im Vorbeifahren kennen d. h. sahen sie in grösser
Anzahl auf der Strasse. Denn die Dörfer waren aufgeboten um die
Abzugsgräben vom Schnee zu befreien, bei welcher Arbeit, wie wir
später in Kasan von unterrichteter Seite hörten, einem Gesetz zu
Folge, nur hölzerne Schaufeln benutzt werden dürfen. Die Weiber
und Mädchen, unter denen es manche frische Gesichter gab, sahen
in ihren weissen nur bis ans Knie reichenden Friesröcken und den
mit schwarzem Zeug und Bast umwickelten Beinen gar seltsam aus.
Wie es mir schien herrschte die blonde Haarfarbe bei diesen Leuten
yor_ Ihre Dörfer unterscheiden sich in der Bauart nicht von den
russischen; doch fielen mir die fast durchgehends aus Ziegeln erbauten
Schornsteine auf, was wol nur eine zufällige Wahrnehmung sein
dürfte.
Aehnlich als mit den Tscheremissen verhält es sich mit den
Tschuwaschen, nurdassdieselben unzweifelhaft tatarisch,also türkischen
Ursprunges sind, wenn sie auch Castren nur für einen tatarischen
Zweig der Tscheremissen, also in seiner Vorliebe für seine Landsleute
als Finnen erklärt. Die Tschuwaschen sind nach Castren viel
zahlreicher als die Tscheremissen, indem ihr Stamm an 400,000 Seelen
umfasst, wovon über 270,000 im Gouvernement Kasan, die übrigen
in denen von Orenburg, Saratow, Simbirsk und Wiatka leben. Ein
kleiner Theil bekennt sich, wenigstens äusserlich, zum Christenthum,
die Mehrzahl zum Islam. Doch sollen die Mollahs so wenig mit
ihnen zufrieden sein als die Popen, denn in der That hängen die
meisten noch dem Schamanismus an und besuchen noch heut die
Keremets”, oder alten Opferplätze, wie sie schon Gmelin beschreibt.
Ich verweise auch hier auf die beachtenswerthen Nachrichten dieses
Reisenden (I. p. 43, 49, 52) sowie Pallas (I. p. 86—93 tab. IV.),
da ich aus eigener Erfahrung noch weniger über sie als über die
Tscheremissen, also nichts zu berichten weiss, es sei denn, dass einer
unserer tschuwaschischen Jemtschiks an der rechten Hand 2 Daumen
besass. Die Dörfer der Tschuwaschen erschienen mir im Ganzen
ärmlicher, doch möchte ich damit diesem achtbaren Völkerstamme
kein Unrecht thun.
Wir hatten schon am 22. einen kleinen Fluss, der bereits eisfrei
war, mittelst einer Fähre passiren müssen, wobei es sehr stürmisch
herging, denn von zwei Concurrenzparteien wollte jede die Ehre resp.
das Trinkgeld gemessen uns überzusetzen, so dass Iwan mit obligaten
Flüchen und den Fäusten dazwischen fahren musste, und näherten
uns am Abend des anderen Tages der Wolga, die indess zum Glück
noch mit Eis bedeckt war. Allein es erwies sich als sehr morsch,
die Ueberfahrt war polizeilich untersagt, und so mussten wir angesichts
des ersehnten Kasan oder vielmehr der herüberwinkenden
Lichter dieser Stadt in einem, kleinen Dorfe, Werchnij Uslon, am
rechten Ufer den ankommenden Tag abwarten. Früh 6 Uhr, als
der Küster mit dem unharmonischen Gebimmel, wie es in Russland
allgemein üblich ist, zum Gottesdienst rief, wobei ihn der auf der
Glockenstube nistende Kolkrabe durch sein tiefes „Arr, arr, arr“
pflichtschuldigst begleitete, brachen auch wir auf. Die Wolga lag
so breit als die untere Donau, gleich einem gewaltigen Schneefelde
vor uns. Dahinter gar malerisch Kasan, mit seinem hochgelegenen
Kreml und seinen zahlreichen Kirchen und Moscheen, die letztere