Alexandrowsk (1834) an der Kaidak-Bucht des Kaspi-Meeres, Oren-
burgskoje am Irgis und Uralskoje am Turgai (1846 von General
Obrutschew gegründet) hatten ebenfalls Angriffe der Kirghisen
auszustehen. So musste sich 1869 die Besatzung von Uralsk den
Kirghisen ergeben. Bei dem von Kirghisen unterstützten Aufstande
der Chiwesen wurde No wo Alexandrowsk (1870) genommen und
die Besatzung niedergemacht, bis in demselben Jahre General
Abramow durch die Einnahme von Kitab die Uebermüthigen strafte
und demüthigte. Erst nachdem Russland in Centralasien festen Fuss
crefasst. die Kirghisen von dem Einfluss Ö “ “ ihrer südlichen Nachbarn isolirt
und strenge Ordnung in der Steppe eingeführt hatte, entstand Ruhe.
Denn noch bis zum Jahre 1860 wurde dieses Gebiet in vielen Beziehungen,
z. B. in Zoll- und Dienstangelegenheiten, als „jenseits
der Grenze“ betrachtet. Wenn aus dem Vorhergehenden erhellt,
dass die Kirghisen einstmals nicht zurückschreckten gegen Russland
zu kämpfen, so soll damit noch nicht gesagt sein, dass ihnen
Tapferkeit, Muth und kriegerischer Geist innewohnte. Wie alle
centralasiatischen Völker, nebst den Mongolen, nach Vambery’s und
Przewalsky’s übereinstimmendem Urtheil als Feiglinge bezeichnet
werden müssen, so auch die Kirghisen. So war das Fort Uralsk
nur von 168 Soldaten vertheidigt, die endlich der Uebermaeht von
12000 Kirghisen weichen mussten. Und es ist ebenfalls keine
Uebertreibung, wenn Helmersen erzählt, dass Kosaken sich oft
stundenlang mit ungeladenen Gewehren gegen Kirghisen wehrten,
denn Aehnliches ist mir selbst erzählt worden. Der Kirghise hat
daher nichts von dem heldenmüthigen Wesen des Tscherkessen,
sondern ist ganz' dem Indianer Nordamerikas zu vergleichen, der
auch nur dann einen Angriff wagt, wenn er durch UeberfalJ oder
Uebermaeht seines Erfolges ziemlich sicher sein darf. Wie bei den
Indianern, so war auch bei den Kirghisen Viehstehlen von jeher an
der Tagesordnung. Diese „Barantas“ *) wurden in grossartigem
Style in Scene gesetzt. Ganze Aule vereinigten sich um einen
anderen, wie die Indianer meist beim Morgengrauen, zu überfallen^
Verwirrung anzurichten und dann das Vieh wegzutreiben. Dabei
hüteten sie sich indess, um weiteren Verwickelungen der Blutrache
zu entgehen, vor Todtschlag, sondern begnügten sich nur damit,
*) Wlangali (Beiträge zur Kenntniss des russ. Beichs. (20.) Bändchen p. 35)
beschreibt sie sehr eingehend und präcis; ebenso Meyer (Ledebour’s Eeise II. p. 463).
die Ueberwundenen zu prügeln und auszuziehen. Die Hauptwaffe
bei solchen Ueberfällen bildeten daher lange, unten verdickte Knüppel
(Batiki). Diese „Barantas“ richteten unter den Kirghisen ebensolche
Verwüstungen an, sagt Helmersen, wie die ununterbrochenen Fehden
der Wilden im Westen Nordamerikas und die täglichen Gespräche
seiner Kirghisenbegleitung drehten sich hauptsächlich um solche
Unternehmungen, wobei jeder der grösste Held zu sein e aup e e,
Dies war vor ca. 40 Jahren! Wir hörten nichts mehr von Barantas,
wenn wir auch immerhin noch mit früheren Barantaschis zusammengetroffen
sein mögen. Denn zur Zeit unseres Besuches waren die
Steppenwölfe, wie Spörer sagt, bereits zu Lammlein“ gewor en.
Dass immerhin noch Räubereien, wenn auch nicht eigentliche Barantas
verkommen mögen, soll damit nicht geleugnet werden. Denn immer
wo sich eine Gelegenheit, selbst zu grösseren Plünderungszugen bot,
wurde dieselbe von den Kirghisen gern benutzt. So machte ein
Theib der Russland unterwürfigen Kirghisen noch 1865 mit den
Dunganen gegen Tschugutschak gemeinschaftliche Sache. Sie war en
aber von den Kalmücken überfallen und verloren ausser 300 Todten
an 100,000 Schafe, 6000 Rinder, 1300 Pferde und 600 Kameele.
Wie bereits oben erwähnt zerfallen die Kirghisen m drei Hauptabtheilungen
oder Horden, 1. Ulu dschus (d.h. das grosse Hundert),
2 Orta dschus (mittlere Hundert), und 3. Kitschi dschus (kleine
Hundert); zur letzteren gehört noch die auf europäischem Boden
im Gouvernement Astrachan nomadisirende sogenannte innere oder
Bukeische Horde. Die Abgrenzung der einzelnen Horden ist jedoch
ebenso schwer festzustellen als ihre Seelenzahl. Die grosse Horde,
für welche Wernoje der Verwaltungssitz ist, nomadisirt im Gebiete
Semirjetschensk, im Syr-Darja-Gebiete und in Theilen des Kreises
Taschkent südlich bis zum Tschu herab, die mittlere ebenfalls im
Siebenstromgebiet mit Kopal als Sitz der Verwaltung, und zum T ei
in den Kreisen Taschkent und Perowsk des Syr-Darja-Gebietes, wo
sie mit der kleinen zusammentrifft, die sich ausserdem über die nac
Nord und West gelegenen Gebiete ausdehnt. Die letztere ist übrigens
keineswegs, wie der Name andeutet, die unbedeutendste, sondern
gerade die zahlreichste, da sie nach v. Koppen mit Ausschluss der
Bukeischen (inneren) von 82,000, noch 650,000 Köpfe zahlt wahrend
die mittlere nur 369,000, die grosse gar nur 100,000 aufzuweisen
haben. Die Gesammtzahl der Kirghisen würde also 1,201,000 betragen
(nach Lengenfeldt gar nur 1,155,000), was allerdings sehr