stallähnlichen Schuppen sind in sehr practischer Weise mit Heu bedeckt,
das für die Renthiere als Futter dient. Der ganze Jahrmarktsplatz
gehört der Kirche, welche von jedem in einem Schuppen
Feilhaltenden einen Miethszins von siebzig Kopeken erhebt. Ein
grösser Theil der Waaren wird übrigens auf den Schlitten selbst
ausgestellt; für jeden Schlitten sind ebenfalls 35 Kopeken an die
Kirche zu zahlen. Das Leben, welches während des Jahrmarktes
m und um diesen unscheinbaren Hütten sich entwickelt, muss
allerdings ein sehr lebhaftes und für den Fremdling äusserst
interessantes sein.
Die Eingebornen treffen dann nach und nach mit ihren Familien
und zum Theil ihren Renheerden ein, und bauen etliche Werst
vom Orte ihre Tschums auf, die nach und nach eine kleine originelle
Stadt für sich selbst bilden. Es entwickelt sich ein lebhafter Tauschhandel,
indem die Eingebornen ihre Pelzthiere und getrocknete
iische hauptsächlich gegen Mehl, Kurzwaaren und Stoffe abgeben.
Vieh-, d. h. Renthier-Markt findet, ebenfalls statt, da namentlich
die reicheren Samojeden vom Tass, von denen einzelne an 7000
Renthiere besitzen sollen, theilweis mit ihren Heerden eintreffen.
Dsäungiä beabsichtigte in Obdorsk wieder einen grösseren Stamm
Renthiere zu erwerben, ebenso Jorka Mamrun, obwol derselbe schon
5 mal seine Heerden, darunter eine von 2000 Stück an der Seuche
verloren. Dies spricht jedenfalls gegen den von Poljakoff (p. 48)
aufgestellten Satz im Character des Ostiaken:: ;,bei gänzlichem
Mangel an Energie fehlt ihm jede Ueberlegung und Berechnung;“
wenigstens giebt es ohne Zweifel rühmliche Ausnahmen.
Dass während des Jahrmarktes trotz des Verbotes, wie schon
vor 50 Jahren Schnaps, viel Schnaps getrunken wird, ist selbstverständlich.
Er kostet 50 Kop. bis 1 R. die Flasche. Doch kommen
keinerlei Unruhen oder Unregelmässigkeiten vor und es bedarf keiner
Verstärkung der Localpolizei, die wenn ich nicht irre, nur aus
2 Kosaken besteht, obschon der Zuwachs an Fremden ein recht beträchtlicher
ist. Ausser an dreissig russischen Kaufleuten waren
1876 ungefähr ebensoviele Syrjänen aus dem Archangelsk’schen Gouvernement
anwesend, Zahlen, die allerdings wenig imponiren. Wenn
man aber berücksichtigt, dass dazu an 3000 steuerpflichtige (nach
Sidoroff 10,000) Eingeborne kommen, so klingt dies schon ganz
anders. Dabei lässt sich die Zahl der Samojeden (Juraken) vom
Tassfluss, also aus dem Hauptsitze dieses Stammes, nicht annähernd
feststellen, da dieselben durchgehends Nomaden sind und einer genauen
Controle somit entgehen. — Bei der beschränkten Häuserzahl
herrscht übrigens zuweilen Wohnungsmangel ünd „Messlogis
sind in Obdorsk so gesucht als s. Z. in Leipzig. Kieme Zimmer
bringen für 3 Monate bis 60 Rubel und mehr Miethe, an der freilich^°
sehr viele participiren, da sich gewöhnlich soviel Syrjänen em-
quartiren als auf der Erde liegen können. Unser Plotnik, der seine
eigene Wohnung während des Jahrmarktes vermiethet, schläft dann
mit seiner Familie meist sitzend. Vornehmere Messbesucher gemessen
selbstredend bei ihren Geschäftsfreunden Gastfreundschaft. Die belebteste
Zeit des Jahrmarkts ist übrigens in der dritten Woche
des Januar. Der Umsatz*) belief sich 1876 auf 67,000 R., wovon
allein 50,000 auf Pelzwerk kommen. Für 1877 erwarte man weit
lebhafteren Umsatz, namentlich in Folge der Seuche, an Renthier-
kalbfellen. So meinte der Plotnik, dass ein reicher Ostiak, wie
Dsäungiä, der in gewöhnlichen Jahren vielleicht für 500 Rubel Pelz-
waaren verkauft, nächstes Jahr an 3000 R. lösen werde. Der Handel
mit Fischen ist während des Jahrmarktes nur unbedeutend, da alle
Händler meist direct nach Tobolsk oder Jenissei'sk verkaufen. Die
Totalausfuhr an Fischen, Caviar, Thran, Hausenblase, Renthierfellen
und Federn (von Enten, Gänsen, Schwänen und Schneehühnern;
keine Eiderdunen) und etwas Mammuthzähnen belief sich im Jahre
1875, um mit der Gewissenhaftigkeit russischer Beamten zu sprechen
auf 155,589 R. 10 Kop., die Einfuhr auf 144,579 R. 50 Kop. —
In der letzteren Kategorie bildet Mehl den Hauptartikel. Es werden
davon an 8000 Pud im Gebiet allein abgesetzt, aber an 30,000 Pud
ins Archangelsk’sche Gouvernement verführt, das Pud zu 30 40 K.
Obschon die Regierung ein gefülltes Magazin hält und während des
Jahrmarkts wie überhaupt öffnet, so kann sie mit den Preisen der
Kaufleute nicht concurrriren. Die Vorräthe wurden nämlich in
theurerer Zeit als jetzt angekauft nnd sollten nur dementsprechend
wieder abgegeben werden.
Weiche Bedeutung der Mehlhandel Obdorsk s hat wurde uns
*) Wie mir Herr Trophimoff sagte beläuft sich der Umsatz des Jahrmarktes,
der von 2000 Russen und Syrjänen (!) besucht wird, auf 200,000 Rubel; der an
Fischen ist allein auf 500,000 R. (!) zu veranschlagen. Der Handel ist in Händen
von 12—15 Grossisten, allein alle diese Zahlen sind offenbar weit übertrieben und
Roslakoff hatte gewiss mehr recht, wenn er eine Barschenladung an Emfuhrwaaren
für hinreichend erklärte.