1 30 V. Kapitel.
%
Uferschwalben (Cotyle riparia), die bereits eifrig im Brutgeschäfte
waren; 8 Wochen später, aber allerdings 15 Breitengrade nördlicher
fanden wir sie am Ob erst zn Neste tragend. Säugethiere wurde
auch nicht ein einziges gesehen; aber die zahlreichen Wühlereien
im Rohre bewiesen, dass Wildschweine hier, wie in allen Steppenseen
häufig sind. Sie nähren sich hauptsächlich vou den Wurzeln
des Schilfrohrs (Arundo calamagrostis, Siev.), die nach Sievers,
westen ihres süsslichen Geschmackes O übrig°ens auch von Kindern der
Kalmücken und Kirghisen mit Vorliebe gegessen werden. Die Wildschweine
können übrigens unter Umständen einem gefährlichen Feinde
begegnen, nämlich dem Tiger (Kirghisisch: Drolbars), dessen Verbreitungsgrenze
bis zum Seengebiet des Balchasch und Ala-Kul
reicht, wenn er auch nicht als beständiger Bewohner desselben gelten
darf. Doch fanden Schrenk, Atkinson und Wlangali seine Spuren
und hörten, dass er im Dickicht der Rohrwälder leben soll. Alle
weiter nördlich, z. B. im Altai, beobachteten und erlegten sind als
Versprengte zu betrachten. — Ein dieser Seenzone eigenthümlicher
Vierfüssler ist auch das Stachelschwein. — Ueber das Vorkommen
von Wildpferden (Kulans) konnten wir nichts Sicheres erfahren.
Unterhaltend war es dem Spiele und Getreibe der Eidechsen
zuzusehen. Ausser der gewöhnlichen, auch bei uns vorkommenden
Lacerta agilis, deren Vorkommen wie es scheint so weit östlich
noch nicht bekannt war (laut Brehm’s Thierleben würde sie nur
bis zum Kaukasus gehen) und die sich hier in schönen Farbenvarietäten
findet, machten sich zwei andere für uns neue Sippengenossen
bemerkbar. Es war eine grössere hellbraune, dunkler gefleckte
A rt, mit länglichem spitzschnäutzigem Kopfe (Eremias vari-
abilis, Pall.) und eine kleinere, rundköpfige, mit sehr platt gedrücktem
breiten Rumpfe und kurzem runden Kopfe (Phrynocephalus helios-
copus, Pall.), die sich bei allgemein bräunlicher Färbung durch schön
blasshimmelblaue und rosafarbene Flecken, sowie die rosenrothe
Unterseite des Schwanzes auszeichnet. Diese Thierchen, welche
so recht eigentlich als Vertreter der Echsen in der südlichen Steppenregion
gelten können, und sich in mehreren Arten bis in die Mongolei
und China verbreiten, waren ungemein zahlreich. Ihr Aufenthalt
sind anscheinend selbst gescharrte oder erweiterte Löcher über denen
sich kleine maulwurfshügelartige Erdhäufchen erheben. Nach
Meyer (Ledebour’s Reise II. p. 271) sind die Gänge oft 6—8 Fuss
lang und endigen immer in eine kleine, kaum 2 Zoll hohe, mit
Am Sassyk-Ala-Kul, 131
trockenem Grase ausgelegte Kammer. In diese Schlupfwinkel pflegen
sie bei Störungen geschickt und schnell zu verschwinden. Da war
es nun Sache der Kirghisen die lieben Thiere, für welche ich ansehnliche
Preise gelobt hatte, zu fangen, denn es gehörte zu diesem
Geschäfte eben nichts als Geduld und Zeit, und letztere war ja für
Kirghisen so gut als werthlos. Die braunen Steppensöhne sassen
daher unbeweglich wie der Bussard vor dem Mauseloche, auf den
Eidechsenhöhlen, die mit der Pelzmütze bewehrte Hand zum Griffe
bereit und sobald das Reptil in den Sonnenschein herausschlüpfte,
war es mit der Pelzmütze bedeckt und gefangen. Denn wie von
fast allen ungebildeten Leuten, so wurden auch von den Kirghisen
diese harmlosen Thiere für giftig, also gefährlirb gehalten, ein
neuer Beweis, dass die Mittheilungen der Eingebornen immer mit
Vorsicht aufzunehmen sind. Die Eidechsen nähren sich vorzugsweise
von Laufkäfern, unter denen Dorcadien (Abamukovi, Thoms.,
politum, Dalm.) am häufigsten waren und um ihre unterirdischen
Wohnungen fanden sich zahlreich die kleinen aus den Flügeldecken
und Beinen bestehenden Gewölleballen.
Dank der Vorsorge des Obristlieutenants, welcher einen Baum-
stammkano zur. Stelle hatte schaffen lassen, und den von mir aus
Bremen mitgebrachten Drathstiften, mit denen das geborstene ohnehin
sehr primitive Fahrzeug nothdürftig zusammengeflickt wurde,
konnte auch den Fischen des Sees einige Aufmerksamkeit geschenkt
werden. Mittelst des gebrechlichen Bootes wurde ein Netz ausgeworfen,
welches trotz seiner Mangelhaftigkeit mit jedem Zuge reiche Ausbeute
lieferte und zwar an für uns neuen Arten. Am häufigsten
war eine Barschart (Perca Schrenki, Kessl.), die einen Fuss und mehr
lang wird, dann der von den Kosaken „Marinka“ genannte Schizo-
thorax orientalis, Kessl., eine zur Familie der Karpfen gehörige Gattung
die zuerst von v. Hügel in Caschmir entdeckt wurde, ferner zwei
ebenfalls zu den Cyprinoiden gehörige Diplophysen-Arten, letztere
Pästrak genannt (labiata, Kessl., n. D. Strauchi, Kessl.).
Die Barschart wurde von Kosaken und Kirghisen mit Appetit
verzehrt, die Marinka aber als angeblich giftig, bei Seite geworfen.
Doch liessen wir schöne, an 2 Fuss lange Exemplare kochen und verzehrten
sie trotz den Warnungen mit grossem Behagen, ohne üble
Wirkung zu verspüren.
Freilich hatten wir keinen Rogen genossen, der wie bei einigen
9*