nung. Allen Anderen wol um eine Stunde, voraus treten die von
klettergewandten Ziegen geführten Schafe,' von Hirten zu Pferde
getrieben, den Marsch zuerst an, um zuletzt im Lager anzulangen.
Ihnen folgen die Packpferde, zu zwei oder drei von Reitern geführt
resp. getrieben. Sie haben, leicht gefesselt oder manchmal frei, die
ganze Nacht weiden dürfen, während die Reitpferde meist bis zur
ersten Morgenstnnde damit warten mussten. Sie stehen dann gesenkten
Hauptes zu Zweien, je Kopf an Sattel gebunden, mit leicht
gelöstem Sattelgurt, aber, selbstredend unbedeckt, wie alle Pferde in
Sibirien. Das Beladen der Packpferde geschieht trotz der Menge
der Collis verhältnissmässig sehr schnell. Oft hat man kaum feinen
Koffer verschlossen und aufgegeben, so verschwindet schon die
schützende Filzdecke, der Jurte über dem Haupte. Die Stäbe und
Gerüste der letzteren folgen natürlich zuletzt, und so ergiebt sich
eine täglich etwas abweichende, aber trotz dieser Abweichungen
doch im gewissen Sinne geregelte Marschordnung. Freilich reicht
dieselbe nicht soweit, dass man stets wissen, sollte, ob sich Dieser
oder Jener der Gesellschaft im Yortrab oder Nachmarsch befindet,
vielmehr gestaltet sich der Reisezug zu einem stetig wechselnden
Bilde, je nach dem es Weg und Steg gestatten. Bald reitet man
neben, bald hintereinander, und ob man gleich beim Auf bruch mit
unter den Ersten war, so befindet man sich vielleicht schon gegen
Mittag unter den Letzten. Einen richtigen Begriff von der Verschiedenartigkeit
der Elemente des Reisezuges erhält man erst, wenn
man denselben an sich vorüber ziehen lässt, denn dann lernt man
erst alle Glieder kennen. Ohwol bei. Weitem nicht mehr so zahlreich
als in Mai-tjerek war die Gesellschaft doch immerhin noch
eine recht stattliche. Da war zuerst der Gouverneur mit Familie
(zu Vier), sein Gefolge von 5 Herren, vielleicht die gleiche Zahl an
Dienerschaft, etwa 15 Kosaken unter einem Wachtmeister, etliche
40 Kirghisen, darunter 12 mit Medaillen geschmückte..Grosse, und
schliesslich die deutsche Expedition bescheiden aus nur fünfen bestehend,
in Summa also an 80 Menschen. Zur Fortschaffung derselben
waren natürlich ebensoviel Pferde, für das Gepäck vielleicht 40
weitere, im Ganzen also über 120 Pferde nöthig. Zum Transport einer
Jurte gehören allein 2—3 Pferde; und 6 solcher luftiger Wohnungen
waren fortzuschaffen. Ich habe dieselben als. das Vollkommenste
in ihrer Art wiederholt gepriesen, darf aber auch eine
ernste Schattenseite nicht verschweigen; bei anhaltendem Regenweiter
taugt die Jurte nicht! Davon gab der heutige Tag an
welchem der Himmel fast ununterbrochen seine Schleusen geöffnet
hatte, wiederum den besten Beweis. • W i r waren über arg zerweichte
Hochwiesen, über Berge, die zuweilen steil m den See abfallen,
durch seine Uferwälder gezogen, und lagerten unweit eines solchen
schon gegen 5 Uhr (1420 M. hoch) auf einer sumpfigen Wiese.
Fast so nass als diese selbst war Alles um uns her. Zwar konnten
die Kleidungsstücke von hilfreichen Händen wenigstens nothjurftig
über dem Feuer getrocknet werden, mit den nesigen Filzen der
Jurte ging dies aber leider nicht an. Sie waren in dem Grade mit
Wasser gesättigt, dass weiteres Aufsaugen unmöglich, und entsendeten
diesen Ueberfluss in Gestalt von Tropfen, die im Verein mit dem
ununterbrochenen misstönenden Geschrei des Wachtelkönigs (Crex
pratensis), den Schläfer in gelinde Verzweiflung bringen konnten.
Immerhin war eine solche leckende Jurte besser als keine und die
Kosaken und Kirghisen, welche sich meist ohne solche behelfen
mussten, wahrlich nicht zu beneiden. Aber die eigenthümlichen
Gesänge der Kosaken schallten ebenso fröhlich vom Lagerfeuer herüber,
als während des Marsches. Wie mir gesagt wurde, stammen
viele dieser Lieder, Helden- und Waffenthaten, selbstredend auch
die Liebe besingend, noch aus den Zeiten Jermak Timojeffs her und
haben sich unverfälscht von Geschlecht zu Geschlecht vererbt, bo
fremdartig diese einförmigen Melodien auch unsern Ohren klingen,
so wirkungsvoll sind sie; ich wenigstens habe ihnen immer gern
und mit Vergnügen gelauscht. Der Reiz der Neuheit die Umgebung
und oft absonderlichen Situationen der Sänger selbst tragen
freilich dazu bei den Eindruck zu erhöhen und für immer einzuprägen.
Man denke sich die braven Krieger ein so steiles Gehänge
hinabreitend, dass Jeder eigentlich nur dem Pferde seine Aufmerksamkeit
zu wenden sollte. Das thun sie auch, diese Kosaken, aber
Gesang dabei kann ja nicht hindern! Eben ist der Vorsänger mit
der Anfangsstrophe fertig, als sein Pferd strauchelt; er reisst es
geschickt empor und der Chor fällt mit derselben Pracision ein, als
hätte es einer Probe gegolten. Aber so Etwas muss man gesehen,
gehört haben, beschreiben lässt es sich nicht!
Wie wir trotz der Sprachunkenntniss mit den Kosaken, so
waren wir auch mit den Kirghisen gut bekannt geworden, Jedem
nach seinem Range, seiner Stellung die ihm zukommenden Ehren
erweisend, und Alle wiederum sich bemühend uns hilfreich, nützlich