waren viel mehr Pferde als Kameele nothwendig, denn während
erstere 450 Pfund und mehr tragen, hat ein Pferd mit 180 bis 200
Pfund (bis 5 Pud) schon eine reichliche Ladung. Major Tichanoff
verliess uns hier mit seinem Gefolge und wir nahmen von dem energischen
Kreischef und trefflichen o Manne,' dem wir so sehr zu Dank
verpflichtet waren, herzlichen Abschied.
Schon der erste Tag gab uns in jeder Beziehung einen Vorgeschmack
von dem was wir im Hochgebirge zu erwarten hatten.
Der Weg führte anfangs über sumpfige aber üppige Hoch wiesen
mit vielen Steinen und Löchern, wand sich dann aber grösstentheils
in dem engenThale eines reissendenGebirgswassers, wennich nicht irre,
Kuldschelik genannt, manchmal im Flussbett desselben selbst, weiter.
Hohe prächtige Nadelhölzer, meist Lärchen, bekleideten die Thalwände
oft in waldartiger Dichtigkeit und die hier und da umgefallenen Baumriesen
versperrten zuweilen den ohnehin schmaler und schmaler
werdenden Pfad. Der ununterbrochen bald feiner, bald stärker herabrieselnde
Regen hatte uns schon nach kurzer Zeit völlig durchnässt
und wir lernten einsehen, wie gut Radloff’s Rathschläge in Bezug
auf lederne Mäntel und hohe, bis über die Knie reichende Stiefeln
gewesen waren. Aber in Semipalätinsk waren diese für eine Altaitour
unentbehrlichen Kleidungsstücke nicht aufzutreiben gewesen
und so mussten wir nun Alles über uns ergehen lassen. Dabei hatte
mau geuug auf den Pfad zu achten, um den Spuren der vorreitenden
Kirghisen und Kosaken möglichst zu folgen. Nach einer kurzen
Mittagsrast unter 5 riesigen Lärchen, wobei es erst nach langem
Bemühen glückte, ein Feuer anzumachen und bei dem strömenden
Regen zu erhalten, um wenigstens ein Glas heissen Thees zu gemessen,
ging es unaufhaltsam weiter. Obwol stetig ansteigend, galt es doch
tiefe Thäler zu überqueren, die oft so steil zur Sohle herabfielen,
dass im Zickzack geritten werden musste. Nur die Kirghisen
liebten diese Weitläuftigkeiten nicht, sondern zwangen ihre Pferde
zu theilweisen Rutschparthien auf dem Hintertheile. Je höher wir
stiegen, um so wilder und reissender wurde der Fluss, um so steiniger
und theilweis von Felsen eingeengt sein Bett. Als wir Nachmittags
3 Uhr den Lagerplatz für die Nacht, eine von schneebedeckten
Bergen eingeschlossene lange Wiesenschlucht in 1600 Meter Höhe
erreichten, hatten wir mehr als 14 mal, Flüsse und drei Pässe von
1500, 1400 und 1720 Meter Höhe, mit ersterem zugleich die chinesische
Grenze, überschritten. So ungemüthlich namentlich diese
Passagen des Flusses, wegen der reissenden Strömung und der zahllosen
Rollsteine in seinem Bette, für uns Neulinge gewesen waren, so
gleichgültig waren die Kirghisen ihnen gegenüber. Kaum am
Lagerplatze angelangt und mit Aufbau der Jurten fertig, beeilten
sie sich Brennholz zu sammeln. Man verbindet bei uns damit meist
den Begriff eines sich bückenden Menschen, aber hier war es umgekehrt.
Die braunen Steppensöhne sammelten Holz in ihrer Weise
d. h. echt kirghisisch zu Pferd indem sie vom Sattel aus, oft auf
demselben stehend, die untersten dürren Baumzweige abzubrechen
suchten. Dabei hatten sie jedesmal den Fluss zu passiren und dies
schien ihnen offenbar noch Spass zu machen, denn sie nahmen möglichst
wenig Aeste und mussten also den Weg durchs Wasser um
so öfter zurücklegen.
Konnten wir den Kirghisen volle Anerkennung zollen, so
verdienten die Damen aufrichtig Bewunderung. Trotz den gewaltigen
Strapatzen dieses und der vorhergehenden Tage begann die
Generalin sofort mit photographischen Aufnahmen und die ewig
heitere Laune der Damen belebte das Mahl so anmuthig als auf
eine Soiree in Semipalätinsk. So traulich aber die Jurte auch
Alle vereinte, der eisige Wind mahnte nur zu sehr, dass wir
uns hoch im Gebirge befanden. In der Früh des anderen Morgens
(7. Juni) umfing uns eine "Winterlandschaft, der Erdboden war
gefroren und frischer Schnee lag tief an den Bergen herab. Es
wurde daher so zeitig als möglich (früh 6 Uhr) aufgebrochen, da
Bewegung am Besten erwärmt und weil wir bis zum Marka-Kul
noch einen tüchtigen Marsch vor uns hatten. Witterung und Wege
zeigten sich leider nicht günstiger als am vorhergehenden Tage.
Schnee- und Hagelböen wechselten mit Platzregen und Sonnenschein
und was den-Weg anbelangt, so konute eigentlich kaum von solchem
die Rede sein. Wir stiegen wiederum längs brausenden Gebirgs-
wassern aufwärts, hatten dieselben wiederum öfters zu kreuzen,
ritten weite Strecken unmittelbar in deren Betten oder kletterten,
da wo sie sich durch Felsen gewaltsam Bahn brechen, hart an
schmalen Vorsprüngen beträchtlich hoch über dem schäumenden
Wasser dahin, immer im Vertrauen auf die Sicherheit der Pferde
und die bewährte Führerschaft der Kirghisen. Und weder die Einen
noch die Anderen täuschten uns, obwol den Pferden sowol als uns
zuweilen Zumuthungen gemacht wurden, welche ans Unglaubliche
grenzten. Gegen Mittag (11 Uhr) hatten wir die Pässhöhe (1740