ich füge hinzu, dass die Ostiaken am mittleren Ob den Werth des
Geldes und der Tauschgegenstände sehr wol kennen. — Da die Leute
eben nichts Anderes anzubieten hatten, so offerirten sie uns zu einem
Rubel das Stück ihre wolfshundeartägen Köter, welche übrigens recht
hübsch waren und uns sehr gefielen.
Ausserdem erfreute eine Hauskatze und ein junger, noch fast
im Dunenkleide steckender, Seeadler (Haliaetus albicilla), wie dies
meine nach der Natur entworfene Abbildung zeigt, welche ein Lager
solcher russificirter Bingebornen veranschaulicht. Wir begegneten
ihnen übrigens zuerst bei Novo-Timskoje, einem kleinen russischen
Flecken am rechten Ufer, unweit der Einmündung des Tim, im
Uebrigen nur noch ein zweites Mal. Die Gegend zwischen Tomsk
und Samarowa ist also kein günstiges Feld zum Studium der Ostiaken,
da dieselben hier schon halb oder ganz russificirt sind. Schilderungen
von Reisenden, welche sie nur auf dieser Strecke kennen lernten,
haben offenbar so manche irrthümliche Ansichten verbreiten helfen.
Ausser Timskoje, passirten wir nur (7 Stunden abwärts Tomsk)
ein grösseres Dorf am linken Ufer, wol Kolpaschowa, und sahen
Narym, eine kleine Stadt (mit c. 2000 Einw., an der Einmündung
des Ket) am rechten Ufer von Weitem inmitten der Ueberschwem-
mung liegen, während uns Surgut (mit c. 1000 Einw.) gar nicht
sichtbar wurde. Diese drei Plätze sind überhaupt die einzigen
grösseren auf einer Flussstrecke von 1547 W. (221 d. M.!).
Die zahlreichen Häute von Ren- und Elen, wol mehrere
Hundert, welche der Dampfer hier einnahm (erstere kosten 1, letztere
3 R. das Stück), zeigten, dass dieselben für den Handel immerhin
ihre Bedeutung zu haben scheinen. Ausserdem bemerkte man hie
und da am Ufer hölzerne Gerüste zum Trocknen von Fischen, als
Beweis, dass dieses Gewerbe mit unter die Hauptnahrungsquellen
der Bewohner zählt.
Von Leben auf dem Strome war übrigens keine Rede; wir be-
wegneten auf der ganzen fast viertägigen Reise nur 2 stromauf
gellenden Dampfern. Bei der Einförmigkeit und Einsamkeit der
Landschaft erwartet man natürlich durch die Erscheinungen der
Thierwelt entschädigt zu werden, sieht sich aber in dieser Beziehung
arg getäuscht. Die Thierarmuth dieses mächtigen Stroms ist überraschend
und an manchen Stellen herrscht geradezu Grabesstille.
Zwar sind, oft zahlreiche, Entenschwärme keineswegs selten, aber
sie halten sich meist so entfernt, dass die Arten unerkennbar bleiben.
Nur einmal sah ich Schwäne. So bleiben die meist vereinzelten
Möven (Larus affinis) und Seeschwalben die einzigen Begleiter des
Schiffes. Yon Kleingevögel lässt sich hauptsächlich die weisse Bachstelze
(Motacilla alba) sehen, der Kuckuck hie und da hören, aber
überall wo es die Ufer, welche nur rechts an ein paar Stellen die Ueber-
schwemmung ansehnlich überragen, irgend gestatten, finden sich, oft
nach vielen Hunderten zählende Oolonien der Minirschwalbe (Hirundo
riparia), welche fast als die zahlreichste und häufigste Vogelgestalt
der Obufer gelten darf. Wir hatten dieses nahezu cosmopolitische
Vögelchen allenthalben auf unserer Reise getroffen, so vor fast 2
Monaten am Ala-Kul, wo sie damals schon eifrig zu Neste trugen.
Hier waren sie jetzt ebenfalls damit beschäftigt, aber freilich befanden
wir uns mehr als 13 Breitengrade nördlicher und die Zunahme
des Tageslichtes zeigte zur Genüge, dass wir dem arctischen
Kreise zustrebten. Diese Lichtzunahme hatte sieh in den letzten
paar Tagen überraschend schnell vollzögen. Noch am 1. Juli war
es vör Tomsk, etwa unterm 56. Breitengrade um Mitternacht noch
so dämmrig, dass man wol schreiben', aber die Buchstaben nicht
unterscheiden-konnte, schon am 2., kaum mehr als drei Breitengradenördlicher
war um dieselbe Zeit die feinste Schrift lesbar und
am 3., wiederum vielleicht 3 Breitengrade mehr nach Norden, musste
man in der Cajüte die Fenster verhängen um künstliche Dunkelheit
zu erzielen. Um 12 Uhr Nachts war noch ein breiter Streif Sonnenlicht
sichtbar, der die Wolken vergoldete.
Das Leben an Bord liess, was Küche und Keller, sowie sonstige
Bequemlichkeiten anbelangte, nichts zu Wünschen übrig und wenn
bei der persönlichen Freiheit, welche hier jeder beansprucht gemeinschaftliche
Essstunden nicht wol einzuführen sind, da die meisten
der Herrschaften erst gegen Mittag auf Deck erschienen, so konnte
uns dies nur recht sein. Das Reisepublicum der ersten Classe unterschied
sich überhaupt in nichts von dem, wie man es anderwärts
findet. Auch auf dem Ob gab es patente Stutzer mit mächtig
goldenen Berloques, Pin^e-nez und schillernden seidenen Cravatten,
diè je nach dem augenblicklichen Stande dés Wetters bald hohe
Cylinder, bald Wachstafft-Mützen trugen, und coquettirende Damen,
nur dass die letzteren ebenfalls ihre Papieros rauchten und mit den
ersteren durch langdauernde Whistpartien die Stunden kürzten. Ein
Heit in Uniform erregte nicht desshalb, sondern aus dem Grunde
Interesse weil er seinen 7 jährigen Sohn auf die Schule brachte, und