Münze*), ein äusserst umfangreiches Gebäude im Herzen der Stadt,
welche sich früher fast nur mit Prägen von Kupferstücken beschäftigte,
steht seit ein paar Jahren still und zum Verkauf. Ausser
anderen gewerblichen Etablissements in Privathänden, besitzt die
Stadt eine grosse Maschinenfabrik. Unter den zum Theil sehr stattlichen
Kirchen befindet sich auch eine protestantische, welche die
kleine Gemeinde von nur 200 Seelen aus eigenen Mitteln baute.
Wie hier ein kleines Häuflein (seit 1742) für den Gottesdienst aufopfernd
sorgte, so eine andere kleine Gemeinde für die Wissenschaft.
Im Jahre 1872 wurde hier die ;,Uralisehe Gesellschaft zur Beförderung
der Wissenschaften” gegründet, welche sich in den wenigen Jahren
ihres Bestehens recht wacker herausgearheitet hat. Sie besitzt nicht
allein ein ganz nettes Museum, für welches die Stadt ein passendes
Gebäude hergab, sondern auch ein magnetisches und meteorologisches
Observatorium. Dasselbe hat an 70 Stationen im Ural errichtet,
welche vorläufig grösstentheils nur für Gewitterbeobachtungen bestimmt
sind und deren dreijährige Resultate bereits vorliegen. Man
sieht also, dass es auch jenseits des Urals für die Wissenschaft tbätige
Gesellschaften giebt, deren Leistungen volle Anerkennung verdienen.
Der Empfang, der uns in Jekaterinenburg zu Theil wurde, war
ein überaus herzlicher und glänzender. Namentlich verpflichteten
uns die Herren Weinberg, Ghef des Telegraphen, Clerc und Min-
kiewitsch zu aufrichtigem Danke, indem sie uns mit allen Sehenswürdigkeiten
bekannt machten. Leider war der 6. April ein grösser
Feiertag (Maria Verkündigung) und in den Werkstätten wurde nicht
gearbeitet. Die Herren im Laboratorium des Münzhofes**) waren jedoch
so freundlich uns die Einrichtungen und den Schmelzprocess des
Goldes möglichst klar zu machen; aber wer konnte sich durch all
die Retorten, Schmelztiegel, Kolben, Wagen und wie alle die noth-
wendigen Requisiten und Instrumente heissen durchfinden und Alles
behalten? Die allberühmte Kaiserliche Steinschleiferei, der schon
J. G. Gmelin 1742 gedenkt, besuchten wir ebenfalls. Bekanntlich
werden hier Kunstwerke: Vasen und dergl. in colossalen Dimensionen
gearbeitet, wie man sie in der Eremitage in St. Petersburg und
anderen Palästen von Königen und Kaisern sieht. Die verarbeiteten
Materialien sind meist Malachit und Rhodonit (Kieselmangan, Russ,
*) Ausführlich beschrieben bei G. Rose: Reise I. p. 134.
**) G. Rose (Reise I. p. 137) giebt eine genaue Beschreibung dieser interessanten
Anstalt und der Art wie das Waschgold geschmolzen wird.
Orletz).*) Wir sahen colossale Blöcke des letzteren von 3—5 Fuss
Durchmesser, welche zersägt wurden, eine Arbeit die unter Umständen
7 Jahre Zeit erfordert. Der Betrieb der Maschinen wird durch
Wasserkraft vermittelt. Als Schleifmaterial dient, wie überall Smirgel,
mit dem die Säge, ein langes und ziemlich breites ungezähntes Blatt
aus Eisen, bestrichen wird. Neben der Kaiserlichen Schleiferei hat
sich übrigens auch eine Privatindustrie in Malachitsachen und Halbedelsteinen
entwickelt j auf die ich später zurückkommen werde.
Denn vorläufig bekamen wir von ihr nichts zu sehen, als was einige
reich versehene Läden auf dem sehr grossen Bazar enthielten. Ich
hatte auf letzterem einige Einkäufe zu machen und lernte ihn hei
dieser Gelegenheit kennen. Ganz besonders interessirte mich der
Fischmarkt. Eine lange Reihe Schlitten enthielt auf Schnee gebettet
eine reiche Auswahl von Fischen. Da waren Hausen, Sterlet, Quappen,
vor allem aber Njelma und IV2 Fuss lange Barse. Nur Hechte und
Barse waren frisch aus dem Isset, alle anderen Fische in gefrornem
Zustande von Tobolsk (über 87 deutsche Meilen weit) per Schlitten
angebracht. Bei der herrschenden Fastenzeit galten die Preise,
12 Kop. das Pfund Njelma, 7 für Hecht als aussergewöhnlich hohe.
Wir sollten indess diese Producte des Stromes, dem unser Reiseziel
galt, des Ob, nicht blos schauen, sondern sie auch bald geniessen,
denn Nachmittags 4 Uhr waren wir zu einem solennen Festessen
eingeladen, welches zu unserer Ehre im Club veranstaltet worden
war. Das Menu, welches mit Schildkrötensuppe begann und mit
Creme ä la prusse endete, war ein sehr gewähltes, aber hei Weitem
nicht so als der Kreis unserer Gastgeber, welcher an 50 der hervorragendsten
Bewohner Jekaterinenhurgs, darunter die Spitzen der
Behörden vereinigte. Eine recht wackere Kapelle, welche uns zu
Ehren „die Wacht am Rhein” und andere deutsche Weisen spielte,
trug nicht wenig dazu bei die Stimmung zu beleben und so blieben
wir noch bis spät in die Nacht hinein in gemüthlichem Kreise zusammen.
Und wenn die Herren Sibirier mit uns und unseren Gesangsvorträgen
nur einigermassen so zufrieden gewesen sind, als wir
mit ihnen, dann dürfen wir vollkommen befriedigt sein. Aber ich
hoffe die frischen Jodelklänge aus den Alpen, welche Einer von uns
dort zum Besten gab, werden dieselbe Erinnerung als die damalige
Anerkennung gefunden haben.
*) Ausführliches über dieses Mineral bei G. Rose I. p. 161.