vielen anderen Zwecken. So pflegen die Männer, wenn sie ein
Nasenloch ganz voll des beissenden Schnupftabaks geladen, die Oeff-
nung mittelst eines Pröpfehens von diesem geschabten Holze zu
verstopfen, um so dem Hochgenüsse in höchster Potenz zu fröhnen,
und die Weiber verstopfen — aber ich will nur dies eine Beispiel
nennen, da die Hauptverwendungsmethoden eben unnennbar sind.
Doch wir müssen uns wieder auf den Weg machen! Der Aufbruch
eines ostiakischen Lagers, den Middendorff ganz ähnlich von
den Assja-Samojeden beschreibt (p. 1451), gewährt zwar stets wiederkehrende
, aber dennoch immer gern wiedergesehene belebte
Bilder, wenn die Geduld des Reisenden dabei auch immer aufs Neue
auf die Probe gestellt wird, denn gewöhnlich vergehen l*/a bis 2
Stunden, ehe sich der Zug wirklich in Bewegung setzt.
Zunächst gilt es die Heerde herbeizutreiben und einzukreisen,
wobei die ungemeine Zahmheit und Dressur des sibirischen Renthiers
so recht zur Geltung kommt. Ohne diese ausgezeichneten Eigenschaften
würde es drei in leichter Troika fahrenden Hirten nicht
möglich sein eine Heerde von mehr als 2000 Stück flüchtiger Ren
zusammenzuhalten, wobei selbstredend Hunde unentbehrlich werden.
Sie gehören einer fast klein zu nennenden, spitzähnlichen Rasse an,
sind meist weiss oder schwarz, oder bunt gefärbt und entwickeln,
neben ungemeinem Eifer und Ausdauer eine Klugheit, die hinter
der unserer Hirtenhunde nicht zurücksteht. Bei Sandas kleiner
Heerde genügte die Aufsicht von ihm oder seinem hoffnungsvollen
Sohne schon vollständig und bei dem Ruf „Hau, hau, hau, he, he,
hee“ ! pflegten sich die oft weit entfernt weidenden Thiere langsam
nach dem Lager in Bewegung zu setzen. Ist die ganze Heerde beisammen,
so wird dieselbe mittelst einer Schnur, welche 3—4 Menschen
etwa 3 Fuss hoch halten vollends eingeschlossen, wie dies
meine Abbildung No. 40 veranschaulicht. Innerhalb dieses Kreises
suchen nun zwei oder mehr Leute die zum Einspann bestimmten
Fahrthiere heraus. Die letzteren merken die Absicht offenbar, und
suchen sich ihrem Schicksale zu entziehen, allein es giebt nie ein
wildes Durcheinanderrennen, wie ich dies in Lappland sah. In den
meisten Fällen lassen sich die Renthiere*) mit den Händen greifen
und folgen am Ohr oder dem Geweih erfasst willig, um zunächst
*) Ueber das Einfangen und Einspannen vergl. auch Schrenk (I. p, 322, 323)
u. v. Hofmann (p. 56—59).
in die Schnur eingebunden zu werden, welche den Kreis umgiebt.
Nur selten versucht es ein Renthier den letzteren zu durchbrechen,
obwol es ja für alle eine Kleinigkeit wäre, über den Strick zu setzen
und sich ihrer Pflicht zu entziehen. Uebrigens wissen die sehr gut
dressirten Hunde Flüchtlinge bald einzuholen und zurückzutreiben,
wenn sie nicht schon vorher mit dem Lasso (sam. Tynze) gefangen
wurden. Letzterer , aus schmalen Streifen Rindsleder zierlich geflochten
und an 70—100 Fuss lang, ' hängt wurfbereit stets am
linken Arme des Heerdenbesitzers und die Eingeborenen wissen ihn
sehr gut zu handhaben. Die durch ein, oft zierlich bearbeitetes,
Stück Bein laufende und mit letzterem geworfene Schlinge fängt
sich am Geweih und trifft in den meisten Fällen ihr Ziel. Die Abbildung
No. 35 zeigt einen Eingeborenen in , wurfbereiter Position
ein Kalb einzufangen, ebenso No. 40. Während die Männer noch
mit Einspann beschäftigt sind und die Thiere in den Schulterriemen
knüpfen, haben die Weiber schon den Tschum abgebrochen und
nebst den übrigen Habseligkeiten auf die Schlitten geladen. Kaum
hat Frau Sanda, ,die wie ihre Schwiegertochter ebenso geschickt als
Papa zu,kutschieren versteht, ihren Platz eingenommen, so setzt sich
die Karawane, Arjisch, in Bewegung. Obwol sie nur 18, mit 45
Zugthieren bespannte Schlitten zählte, also verhältnissmässig klein
war, so gewährte es doch hübsche Bilder, die lange Reihe dahin ziehen
zu sehen. Freilich geht es meist im Schritt, also ziemlich langsam,
aber in feuchten Sumpfniederungen, wo der Schlitten leicht gleitet,
setzt sich der Park oft in Trab und holte uns Fussgänger daher
bald ein, selbst wenn wir viel früher aufgebrochen waren. Angesichts
der täglich wiederkehrenden Verluste an Zugthieren und der
grossen Erschöpfung der letzteren, durften wir an Aufsitzen überhaupt
nicht denken. Die hinter, vor und neben uns trabende Heerde
kam uns immerhin sehr zu Statten, da sie besser als irgend Etwas
Federwild, namentlich Schneehühner (Lagopus albus), aufscheuchte.
Letztere (sam. Hondje, ost. Sucha Sowa, oder Schochä) führten
jetzt flugbare, rebhiihnergrosse Junge und gingen in Ketten, die
ohne die treibenden Ren uns wol oft unsichtbar geblieben sein
würden. Im Ganzen wenig scheu, steigt das Schneehuhn plötzlich
auf um bald wieder einzufallen. Hat man sich nun auch die Stelle
noch so gut gemerkt, so wird es dem einzelnen Schützen selten
gelingen, die Kette wieder aufzujagen, denn, im Verstecke, beziehentlich
sich im Gestrüpp der Zwergweiden etc. unbemerkt zu drücken,