wobei natürlich vorwiegend linguistische Folgerungen in Betracht
kommen. Die Männer waren in abgeschlissene Schafpelze gekleidet
und trugen auf dem Kopfe die eigenthümlich geformten Kappen,
die über Ohren und Nacken schirmartig herabfallen und mit Pelz,
am liebsten vom Fuchs, besetzt sind. Die liebe Jugend ging trotz
Schneeschauem barhäuptig und barfuss und schien sich sehr wohl
dabei zu fühlen.
Je weiter wir kamen, desto zahlreicher wurden die Jurten am
Wege, ohne indess eigentliche A-uls (d. h. Jurtendörfer) zu bilden.
Vor dem kleinen Pawlodar war eine ordentliche Jurtenstadt entstanden.
Ein zerbrochenes Rad zwang uns in der Frühe des 27. April
hier wieder zu unfreiwilligem Aufenthalte. Um derartigen Kalamitäten
vorzubeugen, kaufte ich vorsorglich 2 Wagenräder, was ich allen
Reisenden empfehlen kann, denn obwol nur das eine gebraucht
wurde, verkaufte ich das andere später mit Gewinn, da Räder
und ähnliche Erzeugnisse weiterhin immer, seltener werden. Pawlodar
(1050 Einwohner), das Korjäkofskoi von Pallas und Koräkowsk
der Rose’schen Karte, ist als Handelsplatz mit den Kirghisen nicht
unwichtig, dafür sprachen schon die Unmassen von Häuten, welche
hier aufgestapelt lagerten. Der Bezirk, welcher sich 50 Werst am
linken, 300 Werst am rechten Ufer des Irtisch ausstreckt, zählt, wie
uns der französisch sprechende Ispravnik sagte, 6000 Kosaken und
103,000 Kirghisen. An 6000 Jurten der Letzteren befanden sich
zur Zeit auf dem rechten Ufer, die pro Jurte 3 Rubel Steuer an
die Regierung, ausserdem Weidegeld an die Kosaken zahlen müssen.
Denn die Letzteren und die Kaufleute dieses Gebietes haben es, wie
ihre rassischen Landsleute allenthalben in Sibirien trefflich verstanden,
sich die Eingebomen zinsbar zu machen und zwar wie
immer durch Vorschüsse. Tritt, was nicht selten bei diesen Nomaden
ist, Mangel ein, so findet sich der Kosak leieht bereit Lebensmittel
an Korn und Mehl gegen Verpfändung von Vieh vorzn-
schiessen. Aber er giebt seinen Vorschuss am liebsten auf Kälber,
die ein paar Rubel gelten, und zwar unter der Bedingung, dass der
Kirghise dieselben überwintert. Dadurch vermehrt sich natürlich
der Werth des Pfandobjects und damit der Gewinn, und so kann es
kommen, dass der geschickt speculirende Russe nach und nach die
ganze Heerde in Besitz bekommt. Aber auch unter seinen eigenen
Landsleuten findet der Kirghise solche Wucherseelen, denen er,
wenn der Viehreiehthum sein Ende erreicht hat, als Dienender verfällt.
Und unter diese Categorie gehörten die meisten Kirghisen,
denen wir auf dieser Tour begegneten. Sie waren entweder Hirten
(Eginitschen) ihrer reichen Stammesgenossen oder standen im Dienste
von Kosaken (Dsehtaki), in deren Dörfern viele nicht nur überwintern,
sondern für Jahre hier ansässig sind, um ihre Schulden abzuarbeiten.
Ganz verarmte Kirghisen werden „Baigusch“ genannt. Uebrigens
haben sich die Kosaken in der langen Zeit ihres Verkehrs trefflich
mit den Kirghisen eingelebt und wie sie ihnen die Reiterkunststücke
und die darauf basirte Kampfweise ablernten, so sprechen sie auch
ohne Ausnahme ihre Sprache und haben sich Manches in Kleidung
und Sitten angeeignet.
Von Pawlodar in südwestlicher Richtung bei Bajanaul (180 Werst)
und Karkaraly liegen reiche Erzlagerstätten, von denen eine, Bogos-
I lowsky-Sawot (210 Werst), Herrn Alexander Popoff*) in St. Peters-
I bürg gehört, der mich dort zu einem Besuche derselben eingeladen
hatte. Wie die in seinem Hause ausgestellten Probestücke zeigten,
findet sich hier Silber, Kupfer und Eisen in reichen Erzen mit Stein-
i kohle zusammen, die den Abbau der Erze natürlich sehr bequem
g macht. Bis jetzt scheinen diese so versprechenden Bergwerksdistricte,
die schon von Gustav Rose erwähnt werden (Reise II. p. 9.), aber
noch nicht in Flor gekommen zu sein, und zwar desshalb, weil es
ausser an den nöthigen Verkehrswegen, namentlich an Kapital fehlte,
um den Betrieb in lohnender Weise einzuriehten. Diese abgelegenen
Gebiete sind für den Mineralogen, ganz besonders auch durch das
Vorkommen des seltenen Dioptas oder Kupfersmaragd**) interessant,
welcher in schönen Cristallen von intensiv smaragdgrüner Farbe,
wie es scheint nur***) bei Altyn-tübe, circa 100 Werst von Karkaraly,
gefunden wird. Die Russen nennen den Dioptas nach seinem Entdecker
Asehirka, einem Taschkender, Aschirit. Für den Zoologen
bieten die isolirten Granitberge bei Bajanaul ebenfalls Anziehendes,
indem auf ihnen das Wildschaf oder Archar der Kirghisen (Ovis
*) Schon der Vater dieses Herrn, Commerzienrath Popoff, hat sich um die
und Ausbeutung von Erzen grosse Verdienste erworben. Vergleiche
■ angalis Reise nach der östlichen Kirghisensteppe in : Beiträge zur Kenntniss des
■Russischen Reichs. 20 Bändchen 1856. p. 7 und 131.
■ **) Siehe Gustav Rose: Reisei. p. 488 Note, und C. A. Meyer in: Ledehour's
I ,eise U- P- 428, 429, der den Fundort selbst besuchte.
I . Wje ä it TOn dem Mineralogen des British Museum erfuhr neuerdings auch
■in Süd-Afrika nachgewiesen.