im Norden, der jedenfalls den der Ostiaken betrifft. Gewiss ist,
dass schon im 15 Jahrhundert Verkehr zwischen den Russen und
den genannten Völkern bestand, denn sie belagerten bereits 1499
Laepina, welches damals ein Hauptverkehrscentrum des Tauschhandels
gewesen zu sein scheint. Nach Lehrbergs Untersuchungen
wären die alten Jugren oder Ugren gleich mit den heutigen Ostiaken
und Wogulen, was auch Hofmann (p. 49, 50) für die laepinschen
Ostiaken als ziemlich sicher annimmt. Aber Schrenk’s*) gelehrte
Untersuchungen lassen keinen Zweifel, dass unter dem alten Jugrien
das Gebiet zwischen Obdorsk bis Tass zu verstehen ist, die Jugrer
also die heutigen transuralische Samojeden sind. Jedenfalls erstreckten
sich die Wohnsitze der Ostiaken in früheren Zeiten viel weiter südlich.
Das heutige Tjumen hat wahrscheinlich seinen Namen einem
„Tschnmplatze“ zu verdanken, wie Demiansk (Djemjansk) seinem
einstigen Herrscher, dem Ostiakenfürsten Njemjan. Als Jermak
1581 in blutiger Schlacht die Macht des Tatarenreiches unter Chan
Kutsch um gebrochen hatte, verfielen zugleich die ihm verbündeten
Ostiaken der russischen Oberhoheit. Wie wir gesehen haben wurden
sämmtliche Häuptlinge bis auf Einen abgesetzt, der 1601 durch
kaiserliche Urkunde den erblichen Pürstentitel erhielt. Die cis-
uralischen Samojeden waren schon 1525 Russland zinspflichtig geworden;
die transuralischen östlich von Obdorsk erst nach Unterwerfung
der Ostiaken; doch zahlten bereits 1614 die Samojeden im
Taimyrlande Tribut. Uebrigens war dies nicht ganz widerstandslos
geschehen und namentlich scheinen die sibirischen Samojeden einzelne
Male ziemlich wehrhaft gewesen zu sein, da sie wiederholt, zuletzt
1746, gegen Pustosersk anrückten und dasselbe, wenn auch erfolglos,
belagerten. Ausführlichere Mittheilungen über die Geschichte
der Samojeden und Quellenangaben macht Schrenk (I. p. H f l K
Nach demselben Forscher nannten die 'Tataren ihre nördlichen
Nachbarn Uemtäk (= Barbar), woraus corrumpirt und russificirt
Ostiak (Ostjak, Ostiäk, Ostjäk) entstand. Die nördlichen Ostiaken,
mit denen wir hauptsächlich zusammenkamen, nennen sich selbst
Handocho (Chandocho, russ. Kandycho), welches soviel als „Mensch“
bedeuten soll, obschon meine Nachfragen dies nicht ergaben, da
die Eingebornen irgend eine Erklärung des Wortes nicht zu geben
*) „Ueber die Jugren und das Jugrische Land“ in: Eeise nach dem Nordosten
des europäischen Kussland u. s. w. II. (p. 222— 258) 1854.
vermochten. Nach Castren bedeutet „Chondy-chui“ Konda-Volk,
wie „As-chui,“ wie sich Ostiaken auch zu nennen pflegen Ob-Volk.
Die Wogulen nennen die Ostiaken wie sich selbst Manssi, ebenso
wie die °Laepinschen Ostiaken, I welche ja äusserst nahe mit den
Wogulen verwandt sein sollen, sich selbst. Von den Samojeden
werden sie dagegen Hahi, wie ich es hörte, nach Sujew Tahe
genannt.
Der heut allgemein als Samojeden bezeichnete Volksstamm
nennt sich selbst Hasowo (Chasowo) oder Njänäz (an der Petschora),
was wie Schrenk (p. 616) überzeugend nachweist keineswegs
„Mensch“ bedeutet, sondern einfach ein Eigenname ist. Die transuralischen
Samojeden hiessen früher hei Ostiaken „Orghoj,“ woraus
Ugrer oder Jugren entstand, eine Benennung, welche man fallen
lassen musste,’ als sich die Identität mit den westlichen Samojeden
herausstellte. Ueber die verschiedenen und so sehr abweichenden
Erklärungen dieses Wortes verweise ich auf Schrenk (p. 616—622),
nach dem die Ableitung j,Selbstfresser“*) (aus Syrojästzi = Rohfresser)
am richtigsten ist. Bei den nördlichen Ostiaken heissen
die Samojeden übrigens heutigen Tags „Hui“ oder „Worcho,“ bei
den Syrjänen „Jaron.“
Nach der ethnographischen Karte des asiatischen Russlands
von Wenjukoff ist das Verbreitungsgebiet der Ostiaken ausserordentlich
ausgedehnt, indem es südlich fast bis nach Tobolsk und Tomsk,
nördlich bis über den 65 Breitengrad hinausreicht, längs dem Ob
sogar bis über den 67°, und sich vom Ob bis über den Jenissei
ausdehnt. Nördlich von diesem Gebiete geht das der Samojeden
bis zu den Küsten des Eismeeres, östlich sich bis zur Pjäsina erstreckend.
Der unvermeidliche Fehler derartiger graphischer Darstellungen
ist der, dass sie in Betreff der Volkszahl meist ganz
irrige Vorstellungen erwecken. Denn statt das ganze ungeheure
Gebiet mit einem Farbentone zu eoloriren, wäre es richtiger nur
die Hauptsitze zu markiren, die dann gleich Oasen in einer Wüste
sich darstellen würden. Für die Ostiaken bildet jedenfalls die an
40 Werst breite Niederung des Ob gegenwärtig die eigentliche
Heimath. Sie gehen hier als Fischer bis zur Mündung, als Ren-
<- *) Nach den mir von Küssen gewordenen Erklärungen wäre die Schreibweise
Samojedin = Einer der sich selbst genügt, oder Eisamlebender.' am richtigsten,
allein Schrenk weisst das Irrthümliche nach, obschon diese Schreibart selbst in
Kanzleischriften angenommen wurde.