es lastet mancher Aberglaube auf ihnen. So dürfen sie nach
Schrenk und Middendorff nicht bei (gewissen!) religiösen Festen
theilnehmen, es gilt als böses Omen, wenn eine Frau die Schlittenspur
kreuzt u. s. w. Aber auch bei uns sind die Männer in vielen
Dingen exclusiv und unsere alten Waidmänner halten beim Pürsch-
gange die Begegnung mit einem alten Weibe auch nicht für günstig.
Und man vergleiche (p. 348) das abergläubische Benehmen eines
sibirischen Bauern!
Dass die Frau übrigens nicht in der Weise als unreines Wesen
gilt, wie dies Sujew (Pall. p. 71) mittheilt, geht schon daraus hervor,
dass sie bei Ostiaken und Samojeden in der Götterlehre figurirt,
aus der ehrenvollen Bestattungsweise, ihrer Befähigung im Schamanendienst
und 'dass sie keineswegs bei allen religiösen Festen
ausgeschlossen ist, wie Castren und Kowalski (p. XXVIII) beweisen.
Mit der Arbeitsiiberbürdung des weiblichen Geschlechtes sieht es
bei Weitem nicht so schlimm aus, vielmehr herrscht eine den Verhältnissen
entsprechende Arbeitstheilung, wobei die Männer keineswegs
in der Weise unbeschränktes Bärenhäuterthum führen können,
wie dies von unseren Urvätern erzählt wird. Wer die Verhältnisse
unserer niederen Arbeiterklasse kennt und gesehen hat, wie sich in
ärmeren Gegenden die Frauen plagen müssen, der wird über das
was man ihren Schwestern am unteren Ob zumuthet nicht im
mindesten erstaunen. Aber es verbietet sich in beiden Fällen von
selbst Vergleiche mit der elavierspielenden, romanlesenden und
toilettemachenden Damenwelt der gebildeten Stände anzustellen.
Der Ostiake wie Samojede kann eben nur eine Frau brauchen die
zu arbeiten versteht und ihm Kindersegen gewährt; in beiden Fällen
wird sie ihm, wie Middendorf ausdrücklich bemerkt, zum Schatz, der
seinen Hausstand mehrt und das Wort Jesus Sirach „fein häusliches
Weib ist ihrem Manne eine Freude und macht ihm ein fein ruhiges
Leben“ ist unbewusst auch bei diesen Stämmen bekannt. Zunächst
wol aus praktischen Gründen, aber auch das Gemüth wird dabei
nicht ganz ausgeschlossen sein. Wir sahen Manu und Frau sich
recht herzlich küssen, freilich in angeheitertem Zustande, denn sonst
würden sie sich vor uns genirt haben, da diese Leute ungemein
schamhaft sind. Wie bei uns gilt dies besonders vom weiblichen
Geschlechte. Wir haben hier nie Unschicklichkeiten oder irgend
wie gesehen, dass sich Männer zweideutige Freiheiten erlaubten.
Auch das gemeinschaftliche Schlafen giebt keine Veranlassung zu
solchen und wenn sich auch die Männer nur mit einer kurzen Hose
bekleidet nackend im Pelz hinlegen, eine Methode die Middendorff
(p. 1418) praktisch erläutert, so verhüllen sich die Frauen umsomehr.
Namentlich sind Ostiakinnen ängstlich besorgt ihre blossen
Füsse den Blicken preiszugeben, was Middendorff (p. 1430) für
Sainojedinnen bestätigt. Immerhin will ich nicht verschweigen, dass
ich ostiakische Frauen und Mädchen über die ziemlich unzweideutige
Vorstellung, welche ein Russe beim Scheine des Tschum-
feuers mit einer aus Kartenblatt geschnittenen Gliederpuppe zum
Besten gab, sich herzlich amüsiren sah. Die Andeutungen waren
etwas plumper und deutlicher als bei uns, aber ich habe Derartiges
viel stärker auf deutschen Bauernkirmessen vor allen Tanzenden
produciren sehen, unter viel lebhafterem Jubel seitens der weiblichen
Anwesenden und unseren Possen und Operetten fehlt es auch nicht
an oft nur zu deutlichen zweideutigen Anspielungen, von den Tingeltangels
ganz zu schweigen. Jedenfalls besitzen die Ostiakinnen also
Schamgefühl und Frau Mamrun verschloss ihrem Gemal erröthend
den Mund, als der alte Panajeff auf eigene Faust eine indiscrete
Frage in Betreff des Verhältnisses vor der Verheirathung stellte.
Middendorff bestätigt von Samojeden (p. 1464) ebenfalls, dass bei
ihnen der Kuss als Zeichen innerer Theilnahme gilt.
Wie uns verschiedene Einblicke in das häusliche Leben und
das Innere des Hauses oder Tschums bereits gelehrt haben, sieht es
zwar ärmlich aus und geht nicht hoch her, allein im Ganzen fanden
wir es doch viel besser als wir es nach Reiseberichten erwartet
hatten. Sujew schildert die Ostiaken als so unreinliche Menschen,
dass sie sich fast niemals waschen, was Kohn (p. 33) weiter ausschmückt
und nach Poljakoff (p. 49) riecht man einen Ostiaken
schon von weitem an seinem unerträglichen Gestanke! Diese Ansichten
scheinen mir mindestens sehr übertrieben und auf Ausnahmefällen
basirend. Denn wenn sich auch nicht läugnen lässt;, dass es
bei den Fischerplätzen, namentlich gegen Ende der Saison, nicht
sonderlich appetitlich aussieht, so liegt dies in den Verhältnissen,
die Castren (p. 307) sehr richtig beurtheilt und desshalb die Ostiaken
wegen ihrer Unreinlichkeit mit Recht in Schutz nimmt. Dass dagegen
sowol das Blockhaus als der Tschum des Ostiaken einen ganz
ordentlichen, öfters sogar reinlichen Eindruck machen, habe ich
wiederholt angeführt. Schon die umherziehende Lebensweise beugt
allzugrosser Anhäufung von Unrath vor und das Fischereigewerbe