begegnete man fast täglich, aber sehr vereinzelt; es waren meist
ausgediente Soldaten, die vom Amur in ihre Heiinathsdörfer an der
Wolga oder dem Niemen zurückkehrten. Auf dieser gewiss re-
spectablen Fusstour, (wir trafen Leute, die 11 Monate unterwegs
waren) bekommen sie von der Regierung nur eine kleine Unterstützung
per Tag (à 30 Werst Entfernung gerechnet) und die Er-
laubniss betteln zu dürfen. Aber die angeborene Gastfreundschaft
des Sibiriers erleichtert das Reisen auch für solche Leute sehr,
denn sie werden überall von den Bauern verpflegt und stationenweit
gefahren. Einzelne dieser Krieger, welche mit ihrer besseren Hälfte
reisten, hatten eigenes Geschirr.
Am Mittag des 19. April erreichten wir das Städtchen Tjuka-
linsk, (ca. 1500 Einwohner) wo wir vom Kreishauptmann in dem
Hause eines Kaufmanns, Herrn Jeslow, eingeführt und hier be-
wirthet wurden. Neben anderen Schnäpsen, denn um solche dreht
es sich in Sibirien in erster Linie, prangte in zierlicher, mit Sand
bestreuter Flasche und entsprechendem Portraitetiquett ein „Bismarkbitter,“
der in Omsk fabricirt wird und von der Beliebtheit zeugt,
welcher unser grösser Reichskanzler, wie allenthalben, auch im fernen
Sibirien sich erfreut.
Die Umgegend von Tjukalinsk producirt viel Getreide und hat
200 Werst in der Runde 62 Dörfer mit 22,000 Dessjatinen Ackerland
aufzuweisen. Die vielen und grossen Seen, welche unzählige
Wasservögeln beherbergen, haben einen grossartigen Handel in
Taucher- und Schwanenbälgen entwickelt, in welchen unser Wirth
besonders thätig war. Vorzüglich sind die Brustfelle der Steissfüsse*)
gesucht, die unter dem Namen „grèbe“ zu Muffen und ähnlichen
Damenartikeln verarbeitet werden. Doch scheint dieser Handel in
den letzten Jahren gesunken, denn während unser Wirth früher
30.000 Felle nach Moskau ausführte, bringt er es jetzt nur auf
15.000 Stück. Im Engrospreise gilt das Fell eines Haubensteiss-
fusses (Podiceps cristatus), der grössten Art, 70 Kopeken; 2 mittlere
Steissfüsse (P. subcristatus) oder 3 kleine Ohrensteissfüsse (P. cor-
nutus) werden gleich einem grossen gerechnet; in Moskau das Paar
2 Rubel 50 bis 2 Rubel 80 Kopeken. Im Ganzen kommen im Kreise
Tjukalinsk jährlich an 100,000 Grêben und 10,000 Schwanenbälge
*) Schon zu Pallas’ Zeit (1773) wurden am See Tschany unzählige Steissfüsse
gefangen ; damals galten die Brustfelle allerdings nur 3—5 Kopeken das Stück.
(Reise III. p. 463.)
in den Handel; letztere werden mit 1 Rubel 80 Kopeken das Stück
bezahlt. Der Absatz an Elstemflügeln hat ebenfalls nachgelassen,
belief sich aber noch vor ein paar Jahren auf Millionen; das Paar
zu 8 Kopeken gerechnet.
Wir hatten mehrmals wegen Achsenbrüchen Aufenthalt gehabt,
auch wegen tiefer Dunkelheit und Schnee in der Nacht etliche
Stunden liegen bleiben müssen und waren daher erfreut, dass uns
der Morgen des 20. April einen schönen, klaren, wenn auch kalten
Tag brachte. Mit leichter Mühe wurde daher der Irtisch gegen
8 Uhr erreicht und was noch besser war, Dank der sehr durablen
Eisdecke, ebenso leicht passirt. Am jenseitigen, rechten Ufer, liegt
entsprechend der Färbung der hohen Uferwand das Dorf Krasnojarskaja,
(Rothes Hochuferdorf), von wo es nur noch 44 Werst bis
Omsk sind. Wir kamen hier in eigentliche Steppe, eben wie der
Tisch, dabei fest und konnten daher zum ersten Male fahren, wie
man eigentlich in Sibirien fährt, d. h. in Carrière 18 Werst in einer
Stunde, also die Werst in etwa 3 Minuten, was für eine deutsche
Meile etwa 25 Minuten ausmacht.
Das Land ist hier ziemlich angebaut und man war jetzt eben
beschäftigt, die Stoppeln und das Unkraut anzuzünden, was nur im
Frühjahr erlaubt wird, weil im Herbst für die in Feimen stehenden
Garben Gefahr vorhanden ist. Wir sahen also Steppenbrand, allein
derselbe kam mir, gegenüber der so oft im Westen der Vereinigten
Staaten gesehenen brennenden Prairie, sehr unbedeutend vor und