(7. Juli /21 Uhr Nachts) unter dem Zuruf kräftiger Ruderer stromabwärts.
Wir waren bisher meist in mit Birken und Weiden bestandenen
überschwemmten Armen des linken Ufers gefahren, in welchen es
von Enten wimmelte. Sie blieben aber unerreichbar für unsere Gewehre;
.doch vermochte ich folgende Arten zu erkennen: Spiest
(Anas acuta), Pfeif- (A. penelope), Krick- (A. crecea), Löffel- (A.
clypeata) und Reiherente (A. fuligula). Ausserdem waren Flüge
von Brachvögeln (Numenius arcuata) und Kampfhähnen (Machetes
pugnax) häufig, ebenso Uferschnepfen (Limosa), Halsbandregenpfeifer
(Charadrius hiaticula), einzeln Austernfischer (Haematopus); von
Kleingevögel Weidenammer, Wiesenschmätzer (Pratincola rubicola),
weisse Bachstelzen, in den Dörfern: Haus- und Feldsperlinge, Hausund
Fensterschwalben und Nebelkrähen. Dohlen hatte ich in Sucho-
rowskaja zuletzt gesehen.
Von dieser Station ab kreuzten wir den gewaltigen, wol eine
halbe deutsche Meile breiten Strom und gingen an seinem rechten
Ufer weiter. Mit den kleinen ostiakischen Niederlassungen meist
nur aus etlichen Blockhäusern bestehend, die russischen fast ganz
ähneln, nur dass meist Fenster fehlen, erhielten wir auch deren Bewohner
als Ruderer. Sie erwiesen sich als ebenso geübt und ausdauernd
wie die bisherigen Russen. Selbst Frauen und Mädchen
wissen es den Männern gleich zu thun, und so 2 bis 3 Stunden ununterbrochen
in den Riemen zu liegen ist doch thatsächlich keine
geringe Anstrengung.
Nachmittags 3 Uhr erreichten wir Malo-Atlim (Klein-Atlim),
welches sehr malerisch in einer Senkung des steilen, fast senkrecht
abfallenden wol an 100 Fuss hohen rechten Sandufers liegt, umgeben
von grünen Wiesen und majestätischen Wäldern. Es zählt vielleicht
18 Häuser die von Russen bewohnt werden; an einem kleinen netten
Kirchlein wurde noch gebaut. Neben den Dorfhäusern fehlt es
aber auch nicht an wigwamartigen Hütten, von zerlumpten Weibern
und Kindern umlagert, welche letztere, bei meiner Annäherung laut
schreiend, die Flucht ergreifen. Ich betrachte mir das Innere der
z. Th. auf einer viereckigen Balkenunterlage errichteten Hütten, und
finde einige schmutzige Weiber mit Kochen beschäftigt. Es ist aher
nicht Nahrungsstoif der in grossen Kesseln üher dem Feuer broddelt,
sondern Material für Haus- und Küchengeräth und Bedachung,
nämlich Birkenrinde, die in Tafeln (ostiak. Jurntodi) geschnitten und
zusammengerollt, mit Baumflechten zusammen gekocht wird um sie
zur Verarbeitung geschmeidig zu machen. { -pfi
Während der Zubereitung des Mittagsmahls (heut Lammfleisch
und Njelma) machen wir einen kleinen Jagdausflug um weiter mit
dem Urwalde bekannt zu werden, dessen jetzt knospende Nadelhölzer
mit ihrem würzigen Dufte doppelt einladen. Und schon sind, sie,
diese herrlichen aus Fichten, Lärchen, Arven, untermischt mit Birken
und Weiden, gebildeten Wälder, hier „Urman“ genannt, mit ihrer
Fülle von Unterholz von verschiedenen Sträuchern, Eberesche, Faulbaum
u. s. w. und dem moosbedeckten mit blühenden Heidel- und
Preisselbeeren und dem schönen Rubus arcticus abwechselnden Grunde.
Aber sie erscheinen sehr schweigsam! Man hört das Blaukehlchen,
unseren Weidenlaubvogel, die jWachholderdrossel und die Gesänge
des düsteren Laubvogels (Phyllopneuste tristis), des nordischen Laubvogels
(Ph. borealis) und unseres Müllerchen’s (Sylvia garrula).
Ausserdem erlangte ich ein Haselhuhn (Tetrao bonasia), welches
von mir aufgescheucht, durch seine Verstellungskünste verneth,
dass ich es beim Neste überrascht hatte, konnte das letztere selbst
aber nicht finden. Ebenso wenig glückte es einen der zahlreichen,
aber äusserst scheuen Bergfinken (Fringilla montefringilla) zu beschleichen,
und vergebens spähte ich nach Hakengimpeln (Corythus),
die' ich ein paar Stationen vorher angetroffen hatte. Von Säuge-
thieren schoss ich nur ein Streifenhömchen (Tamias stnatus), obschon
es an grossem Wilde, Renthier, Füchsen, Wölfen, Bären u. s. w.
nicht mangelt. Das Dickicht schien mir auch ganz für den Aufenthalt
von Meister Petz angelegt, und so sehr wir nach^ einer Jagd
dieses Gesellen bisher verlangten, so wenig wäre mir, in Rücksicht auf
meine Vogelflinte, ein Zusammentreffen mit ihm willkommen gewesen.
Die Jagd in diesen Dickichten ist in der That ebenso ermüdend
als anstrengend, denn so sehr der herrliche Wald auch verlockend
winkt, sein Inneres beherbergt eine Plage, die ganz entsetzlich
werden kann: die der Mücken! Wir hatten sie bereits am Ala-kul,
am Nor-Saissan, im Waldgebiet des nordwestlichen Altai kennen
gelernt, aber erst hier kam die ganze Wucht nordischer Mosquitos
über uns und zwar so schnell als wir Sonnenschein und warmes
Wetter erhielten, was bis Samarowa nicht der Fall war. Diese Plage
ist unser steter Begleiter gewesen und hat,^ je weiter wir nach
Norden kamen, stetig zugenommen, wie dies Reisende, welche bereits
die Tundren Lapplands kennen lernten, erwarten durften. Nur in