allein icli hatte mich an einigen Orten noch aufzuhalten und
traf daher erst am 24. November, nach einer Abwesenheit von
fast 9 Monaten in Bremen ein. Da Dr. Brehm in St. Petersburg
zurtickblieb, um hier einige Vorträge zu halten', so hatte ich die
überaus liebenswürdige telegraphische Einladung der „physikalisch-
ökonomischen Gesellschaft“ in Königsberg, welche die „Sibirische
Expedition“ zuerst auf heimischen Boden durch ein Festessen zu
begrüssen beabsichtigte, leider unter herzlichem Danke' ablehnen
müssen.
Am 4. December bereitete mir aber der „Verein für die
deutsche Nordpolarfahrt“ einen festlichen Empfang in den ehrwürdigen
Räumen des Stadtweinkellers, wobei manches Glas auf
die Zukunft und Entwickelung Sibiriens geleert wurde, der auch
ich hier, wie allen sibirischen Freunden, zum Schluss nochmals das
beste Glück und Gedeihen von Herzen wünsche. Aloha!
Werfen wir einen Rückblick auf die Reise bezüglich der zurückgelegten
Distanzen, so ergiebt dieselbe von Bremen an. gerechnet,
nach meinem Itinerar im Gesammt 19,518 Werst (2788
d. M.). Davon konnten gemacht werden per Dampf 9942 W. (auf
der Eisenbahn 6192, mit Dampfern 3750 W.), im Uebrigen mit
Tarantass 4868 W. (695 d. M.), mit Schlitten 993 W. (c. 144 d.
M.), zu Pferd 700 W. (100 d. M.), zu Fuss 200 W. (c. 30 d. M.)
und mit Lotka 2851 W. (c. 400 d. M.). Unser Reisegebiet erstreckte
sich vom 8. bis ungefähr zum 88. (dem Marka-Kul im
chinesischen Altai), also über fast 80 Längengrade und südlich vom
Dschasyl-Kul im Dsungarischen Ala Tau, unterm 45 Breitengrade,
nördlich bis zum Kara-Meerbusen über dem 68°, also über 23 Breitengrade.
Dabei lernten wir eben nur West-Sibirien kennen, aber
immerhin genug uin die erdrückende Wucht jener Ländermassen
zu verstehen. Die Betrachtung über dieselbe bringt mich unwillkürlich
wieder auf die Vereinigten Staaten und ich erinnere mich
dabei was Hepworth Dixon von jenem Minnesota Farmer erzählt,
der versicherte: es sei Alles recht schön und gut, aber das einzige
Unglück des Landes, dass es zu gross sei und zu wenig Menschen
besitze! Und dabei haben die Vereinigten Staaten immerhin
39 Millionen Bewohner aufzuweisen; das fast noch einmal so grosse
russische Reich in Asien kaum mehr als ein Drittel soviel. Während
die grösste Ueberlandstour in Amerika von New-York bis San
Francisco 5145 W. (3308 engl. M„ 735 d. M.) beträgt, sind es von
St. Petersburg bis Anadyrsk am Anadyr 11,250 W. (c. 1600 d. M.),
eine Entfernung die jeden Reisenden, angesichts der gegenwärtigen
Verkehrsmittel in Sibirien mit Schaudern erfüllen muss. Wie anders
reist es sich dagegen in Amerika; in 7 mal 24 Stunden führt dort
die Eisenbahn vom Atlantischen bis zum Stillen Ocean. Wie lange
Zeit man nach Anadyrsk brauchen würde, darüber fehlt es mir an
Angaben, aber ich will, zur besseren Schätzung anfügen, dass der
Akademiker Schmidt von Petersburg bis Krasnojarsk, 4607 W. (c.
658 d. M.), allerdings bei guter Winterbahn, überraschend schnell,
in 22 Tagen reiste. Es kommen dann c. 209 W . (c. 30 d. M.) auf
24 Stunden. Hofmann brauchte von Bereosoff bis St. Petersburg
(allerdings ohne Eisenbahn) 3866 W., 51 Tage, was täglich nur
75 W. ergiebt, wir selbst reisten 60 Tage von Obdorsk bis Petersburg,
4361 W., und machten, unter Abrechnung von 20 gezwungenen
Ruhetagen1, täglich c. 109 W.\ (c. 1572 d. M.). Die
grösste Geschwindigkeit, welche wir mit Tarantass erreichten, war
auf eine kurze Strecke 18 W. in der Stunde, was die enorme Strecke
von 432 W. (c. 62 d. M.) in 24 Stunden ergehen würde. Dabei
ist aber gar kein Aufenthalt gerechnet und ohne solchen geht es
nun einmal nicht ab, und wenn man den letzteren auf das geringste
Maass reducirt, so sind 13—14 W. (2 d. M.) in der Stunde schon
als Leistungen zu betrachten, mit denen selbst ein Gouverneur oder
anderer hoher Herr befriedigt wird. Wir selbst machten im Durchschnitt
bei gutem Wege 11—14 W. in der Stunde mit Wagen,
Graf Waldburg - Zeil dieselbe Strecke bei guter Bahn mit Schlitten.
Mit letzterem blieben wir bei schlechter Bahn meist unter 8 W. in
der, Stunde, ebenso mit der Tarantass bei schlechtem Wege. Man
kommt aber dann immer noch so schnell fort, als s. Z. mit der
Diligence zwischen Bremen und Hamburg, welche durch ihre
Schnelligkeit berühmt war, aber zu der 98 W. (14 d. M.) langen
Strecke 12 Stunden brauchte, also c. 8 W. per Stunde fuhr. Die
sibirischen Kutscher und Pferde leisten also entschieden mehr, bleiben
aber trotzdem weit hinter den modernen Verkehrsmitteln zurück.
So kommen im Durchschnitt auf eine Stunde mit der Eisenbahn.
Schnellzug St. Petersburg—Berlin 40 W., Pacific-Bahn 30 W.,
und mit Dampfern: transatlantische 20 W., auf der Wolga 20 W.,
42*