bald das andere Hochgebirge näher vor, gleichzeitig bald einen Blick
von dieser, bald einen anderen von jener Seite gestattend, und die
kurze Fahrt bietet daher durch die ewig wechselnden Bilder zu
beiden Seiten dem 'an schönen Landschaften sich erlabenden Auge
mehr Reiz, als irgend eine andere Strecke des Irtisch gewähren kann.
Erst in unmittelbarer Nähe des Sees wird der Strom einförmig und
langweilig. Dip Bäume verschwinden allmählich und auf Meilen
sich erstrekende Rohrfelder treten an ihre Stelle; sie aber drücken
der auch von hier aus noch möglichen Fernsicht sofort das Gepräge
der Eintönigkeit auf, so dass selbst die Hochgebirge zu beiden Seiten
darunter leiden müssen.“
Wir hatten schon gegen Mittag die Gabelungsstelle, wo sich
der Fluss in den alten- (staro-) und neuen- (novi-) Kara-Irtisch
theilt, passirt, langten aber erst gegen Abend 8 Uhr nach einer
Fahrt von ca. 60 Werst, nahe der Einmündung in den See an.
Freilich hat der Fluss von unserem letzten Lagerplatze nahe Ak-Tjübe
(480 M. hoch) bis zur Gabelung (410 M.) 70 Meter, also ein ziemlich
ansehnliches Gefälle mit dementsprechender Strömung, allein von da
an hört letztere fast ganz auf und die Mündung zeigt nach Graf
Waldburg gleiche Höhe (410 M.).
Unterwegs waren wir etwas aufgehalten worden, diesmal freiwillig.
Eine Ansiedlung kirghisischer Fischer, reizte uns, dieselbe
sowie die Fischerei selbst kennen zu lernen. Die ganze Einrichtung:
ein paar schlechte Schilfhütten und Jurten, übel aussehende, noch
übler riechende, an Stangengerüsten trocknende Fische, roh aus
Baumstämmen gezimmerte Canos, bewahrte-" im Verein mit den zerlumpten,
halbnackten, von der Sonne braungebrannten Kerlen, den
vollkommensten Charakter grösster Primitivität und Armseligkeit.
Und doch war das Gebiet für das Gewerbe ein so ganz besonders
reiches und ergiebiges, wie uns der veranstaltete kleine Fischzug
bewies. Die Sache ging eben so einfach als schnell. Sechs Leute
stiegen in ein Boot, und warfen ein langes, grobmaschiges, mit
hölzernen Schwimmern versehenes Netz aus. Andere im Uferschilfe
bis an den halben Leib badende Fischer halfen das Netz einziehen;
in welchem nach kaum halbstündiger Arbeit eine, nach unseren
Begriffen, überaus reiche Beute herrlicher Fische zappelte. Und doch
war der Zug ein nur zu unserer Unterhaltung improvisirter gewesen!
Fehlt mir auch die Notiz über die Zahl der gefangenen Fische,
so habe ich doch die Arten genau verzeichnet, die mit Ausnahme
der Njelma (Coregonus leucichthys), alle identisch mit europäischen
sind. Es waren Schleie (Cyprinus tinca, darunter bis 19 Zoll lange
Exemplare), Karpfen (Cyprinus carpio bis J17"), Barse (Perca flu-
viatilis bis 15") Quappen (Lota vulgaris bis 2 V4 Fuss), Hecht (Esox
lucius), zwei Arten Weissfisehe (wol Idus melanotis und ein Verwandter),
Stjerlet, ein stattlicher Hausen (wol Accipenser Gülden-
staedti), also meist- sehr ansehnliche Exemplare, denn auch die
Njelma erreichte 2 i/i Fuss Länge, obschon von allen weit grössere
Vorkommen. Nach Wlangali würden ausser den genannten Arten
noch: Stör (Accipenser sturio), und Äsche (Taimen) vorhanden sein, zu
welchen Abramoff noch Salmo lenoc, (Trout) und Rothauge hinzufügt
und, jedenfalls in Folge falscher Uebersetzung, sogar „turbot“, was
indess entschieden falsch ist. Damit wäre das, ohne Zweifel höchst
unvollkommene Verzeichniss der bis jetzt bekannten Fische des
Nor-Saissan. gegeben; doch fehlt es noch an wissenschaftlicher
Kunde. Wir selbst konnten leider dieselbe nicht bereichern, da die
erlangten Exemplare für meine Spiritusgefässe zu gross waren. Ich
bedaure dies- namentlich in Betreff des Karpfen, der hier jedenfalls
seine eigentliche Heimath hat. Fischkulturisten mögen daher im
schwarzen Irtisch und Nor-Saissan den „genuinen“ Karpfen holen
und durch solche unseren grossentheils so sehr verschlechterten
Rassen frisches Blut zuführen.
Mehr Aufmerksamkeit als den beschuppten Bewohnern des
Gebietes konnten wir den befiederten widmen. Die reiche Vegetation
der Ufergelände bot die günstigsten Bedingungen. Wir hatten
uns schon auf der ganzen Fahrt an dem reichen Vogelleben erfreut:
an dem Pfiff des Pirol, dem Ruf des- Kuckucks, dem Gesänge von
Rohr- und anderen lieblichen Sängern. In den urwaldartigen 'Baumgruppen
ertönte das heitere Geschwätz der Dohlen, hie und da
übertönt von den nach hunderten und aber hunderten zählenden
Brutkolonien von Rabenkrähen (Corvus corone), während auf den
Wipfeln die mächtigen Horste von Seeadlern weithin kennbar waren.
An den Fischereiplätzen trieb der schwarzohrige Milan (Milvus Govinda)
ebenso frech sein diebisches Gewerbe, als sein berüchtigter Vetter der
Schmarotzermilan in Egypten. Wasservögel waren im Ganzen minder
häufig. Einigemal passirten wir sandige Inseln oder Uferstrecken, wo
unzählbare Mengen von Seeschwalben (wenn ich nicht irre Sterna
anglica) kolonienweise nisteten, Scharben (Graculus carho und pygmaeus)
und verschiedene Entenarten waren nicht selten, und einmal begegnete