bei diesem Bilde befanden sich Werkzeuge zur Ausübung des Gesetzes*),
welches in China bekanntlich noch heut grausame, unserer
Folterzeit ebenbürtige, hie und da sie übertreffende Strafen verhängt.
Der so oft auf Bildern ans China dargestellte 3 bis 4 Fuss breite
Halskragen (Kobak) aus dicken Planken verfertigt, erregte am
meisten unsere Aufmerksamkeit. . Er gehört zu den legalen Strafmitteln
niederen Grades im ganzen chinesischen Reich. Der Ver-
urtheilte wird tagsüber mit diesem Halskragen, der die Hände verhindert
den Mund zu erreichen, an einem öffentlichen Platze ausgestellt
und die Dauer der Strafe erstreckt sich bis auf 3 Monate.
Das Schauspiel, welches uns vor der Kaserne erwartete, war
jedenfalls ein in seiner Art eigenthümliches und neues. Nicht allein
dass wir zum ersten Male Krieger des himmlischen Reichs und ihre
Leistungen im Gebrauch von Pfeil und Bogen sehen sollten, die
militärische Uebung hatte zugleich auch eine bunte Menschenmenge
herbeigelockt, für welche wir ohne Zweifel den Hauptanziehungspunkt
bildeten. Was zunächst die Mannschaften dieser kaiserlich
chinesischen Infanterie anbelangt, so waren sie als echte Söhne der
Mandschurei, welche für China von jeher die priviligirte Kriegerkaste
bildeten, vorwiegend aus anthropologischen Gründen interessant
für uns.
Im Uebrigen machten diese Soldaten in Haltung und Kleidung
einen ebenso armseligen und lächerlichen Eindruck, als die „big warriors“
der Ute-Indianer, welche ich seinerzeit in Colorado sah. Ihre einzigen
gemeinschaftlichen, militärischen Abzeichen bestanden nämlich in
einem runden Mützenknopf aus Kristallglas, von welchem ein oder
zwei Streifen rothgefüttertes Marderfell als Zierart herabhingen, und
in einem grossen Ringe der am Daumen der rechten Hand getragen
wurde und dazu diente den Rückschlag der Bogensehne zu pariren.
Auch der Dschansun trug einen solchen und zwar von Nephrit,
während sein Mützenknopf aus einem daumgliedlangen und dicken
Stück hellrosafarbener Koralle gearbeitet, also ziemlich werthvoll
war. Die übrige Kleidung und der Zopf der Soldaten unterschied
sie nicht von gewöhnlichen • Chinesen. Es waren grösstentheils
*) Heber das Gerichtsverfahren und die Verwaltung, wie sie früher in Kuldscha
und wahrscheinlich anderen westlichen Provinzen war und wol noch ist, gieht
Radloff in seinem änsserst interessanten und lehrreichen Aufsatze: „Das Ili-Thal
in Hoch-Asien und seine Bewohner“ (Peterm. Mitth. 1866. p. 255—259) ausführliche
Kunde.
ziemlich alte Kerls, von nicht selten ansehnlicher Grösse und Statur,
die neben dem sorgfältig gepflegten Zopfe viel Sorgfalt auf ihre
spärlichen Schnurrbärte zu verwenden schienen.
Die Vorbereitungen zum Bogensehiessen, denn ein solches
sollte uns zum Besten gegeben werden, musste etwaige Erwartungen,
um Vögel im Fluge treffen zu sehen und dergleichen Kunststücke
gleich von vornherein bedeutend herabstimmen. Etwa 40 Schritt
vor der Söldnerschaar war nämlich eine Scheibe aus Papier errichtet,
welche ganz in ähnlicher Weise als unsere eine Mannsbreite zeigte.
Doch fehlte der übliche „Kugelfang“ ; statt dessen stand kaum 60
Schritt hinter der Scheibe die Schaar der Neugierigen. Die Schieberei
konnte also nicht sehr gefährlich werden; und so war es auch.
Jeder Soldat entsendete fünf, der mit lanzettförmiger eiserner Spitze
versehenen ca. 2 72 Fuss langen Pfeile*), von denen die meisten
seitlich von der Scheibe in die Erde sausten und von den jugendlichen
Zuschauern im Triumph. dem glücklichen Schützen zurückgebracht
wurden. Wie unsere russischen Begleiter versicherten
sollen selbst in diesen abgelegenen Provinzen Hinterladergewehre,
amerikanischen Ursprunges, für die Truppen vorhanden sein. Da
das Blei in ganz China, besonders aber in diesen entlegenen Provinzen
einen sehr hohen Werth hat, so soll der Dschansun aus
Sparsamkeitsrücksiehten nur das gelegentliche Schiessen mit Platzpatronen
erlauben; doch will ich für die Richtigkeit dieser Mittheilung
nicht einstehen.
Nach beendigtem Schiessen hatte der Dschansun noch die
Freundlichkeit uns seinen ausgezeichnet angelegten und bewässerten
Gemüsegarten zu zeigen, in welchem er uns eigenhändig einige
Radieschen nnd kleine Rettige ausriss und anbot. Hierauf verabschiedeten
wir uns von dem freundlichen Manne, da, ich weiss
nicht mehr recht aus welchen Gründen, unsere Abreise• unwiderruflich
für den Abend angesetzt war, obwol der Dschansun bereits
Nachtquartiere bereiten liess und uns noch zum Besuch buddhistischer
Klöster sowie der Festung einlud. Die Fremdlinge konnten überhaupt
dem chinesischen Machthaber für seine Gastfreundschaft und Zuvorkommenheit
nur dankbar sein. Jedenfalls hatte „Seine Unaus-
sprechliehkeit“ den stark an Spott und Lächerlichmachen grenzenden
*) Abbildung von Bogen und Pfeil auf No. 4 (191) der im Verlag von
G. Behrens (Braunschweig) erschienenen ethnologischen Photographien meiner
Sammlungen.