welche bald andere zu dem originellen Tanze aneiferte, welcher
hauptsächlich in überraschend schnellen und variirenden Bewegungen
auf Fussspitze und Hacken besteht, und so sehr an die Hornpipe
englischer Matrosen erinnert. Nachmittags gab der Gouverneur uns
zu Ehren ein grosses Dinner,, kurzum wir genossen die sprichwörtliche
Gastfreundschaft des Altai in vollstem Maasse. Hatten die Mitglieder
der deutschen Expedition doch ausser der Erinnerung, noch persönliche
Andenken mit in die Heimath zu nehmen. Graf Waldburg
erhielt schöne Bälge vom Luchs, Fuchs und Yielfrass, Dr. Brehm
einen prächtigen Zobel und ein mächtig grosses Bärenfell; mir als
Nadschalnik war eine riesige Dacha*) (fertiger Pelz) ans den fremdartig
aussehenden Fellen des Moschusthieres zugedacht, sowie ein
Messer nebst Koppel, welches Major Baehireff, seinen Namenszug in
die Klinge eingelegt, eigens von einem kirghisischen Meister für
mich hatte anfertigen lassen.
Wie in geselliger Beziehung so bot Altaiskaja-Staniza auch
körperlich ersehnte Erfrischung und Kräftigung. Nach fast 14 Tagen
waren wir zum ersten Male im Stande uns gründlich zu waschen
und da giebt es nichts Besseres als ein ordentliches russisches
Schwitzbad. Nicht wahr Brehm? Auch an Arbeit fehlte es nicht!
Da die Schwierigkeiten des Sammelns und Erhaltens der Sammlungen
noch genau so sind als wie dies Ledebour (Einleitung p. 9, 10)
schildert, so hatte ich genug mit dem Trocknen und Verpacken der
zoologischen Ausbeute, Graf Waldburg mit Umlegen der Pflanzen zu
thun. Der eine Tag war daher wiederum nur zu schnell verstrichen!
Der anhaltende Regen des vorhergehenden Tages hatte uns nur
selten und vorübergehend Blicke auf das Gebirge gestattet. Wie
sehr waren wir daher überrascht als der vollkommen klare Himmel
am Morgen des 13. Juni uns gleichsam zum Abschied und als Andenken
der Natur, die herrliche Gebirgslandschaft in seiner ganzen
imponirenden Schönheit vorführte. Die Lage von Altaiskaja-Staniza
kann, wie die Abbildung (nach einer Photographie der Frau von
Poltoratzky) andeutet, in der That mit manchem Hochgebirgsdorfe der
Alpen einen Vergleich aushalten! Zur Linken erhebt sich als Begrenzung
des Thaies gegen Südwest, das mächtige Ssarim-sakti-Ge-
birge, die nördlichste Kette des Grossen-Altai, mit seinen malerischen
*) Dieselbe ziert jetzt das Königl. ethnograph. Museum in Berlin, dem sie von
mir als Geschenk übergeben wurde.
Kuppen, Graten und Spitzen, die wie ich im Anfang des Kapitels
bereits erwähnte sämmtlich noch namenlos und ungemessen blieben.
Sie mögen an 9—10,000 Fuss Höhe erreichen und sind auch im
Hochsommer mit Schnee bedeckt. Der frischgefallene Schnee der
letzten Nacht, welcher tief in die hochgehende Banmregion*) herabreichte,
liess in seiner blendend weissen Hülle das Gebirge noch
höher erscheinen.
Rechts, also nordöstlich wird das Thal ebenfalls von Bergen
eingerahmt, es ist die Listwäga oder das Lärchengebirge, welches
durchschnittlich an 6000 Fuss (Ledebour), in der Schtschebenucha
oder dem Scheerenberge (7550' nach Helmersen) wol seine grösste
Höhe erreicht. Von diesem Gebirge aus sah Helmersen den grossen
Altai, welchen er das „Narymsche Gebirge“ (damals in der chinesischen
Provinz Chobdo) nennt und dessen imposante Schönheit er nicht
genug zu schildern vermag. Die Listwäga bietet weniger malerische
Formen. Es ist kahl und seine sanftgerundeten Kuppen erhalten
nur durch den frischgefallnen Schnee Abwechselung, werden aber
hie und da pitoresk durch hohe Schneeberge überragt, die den
höchsten Spitzen der Cholsun’schen Alpen angehören. Das herrliche
Bild des grossen Altai wurde durch die steigenden Effecte der aufgehenden
Sonne noch bedeutend erhöht. Die tiefschwarzen Wälder
mit ihren prächtig grünen Thälem, die schneeigen bald zart, bald
grell beleuchteten Kappen, erzeugten Gegensätze von Licht und
Schatten, Uebergänge von Hell und Dunkel, die in ihrer Gesammtheit
eine geradezu mächtige Wirkung hervorbrachten.
Gegen 7 Uhr früh (13. Juni) nahmen wir dankend von den
gastfreien und liebenswürdigen Officieren in Altaiskaja-Staniza Abschied
und fuhren, unter freundlicher Leitung von Herrn Bastrigin
und einem Ispravnik des Tomsk’schen Gouvernements, nach Syrjanowsk
(130 Werst) weiter. Letzterer Herr war so gütig uns ebenfalls zu
begleiten weil wir durch einen Theil dieses Gouverments kamen.
Der Weg war trefflieh und führte durch eine so herrliche
Landschaft, dass man die rasche Fahrt eigentlich bedauern musste.
Gleich hinter Altaiskaja-Staniza passirt man anf guter Brücke den
kleinen, reissenden Gebirgsfluss Ssarimsakti, an welchem der Ort
liegt, und in der Folge noch mehrere, die dem Kulmess, einem
*) Die Baumgrenze geht im Altai durchschnittlich höher hinauf als in unseren
Alpen, an den Nordabhängen bis 5652 Fuss, an den südlichen Abhängen bis 6500.