Zahlungen südafrikanischer Jäger gelauscht und gehört -hat, wie
schwer die meisten der dort vorkommenden Antilopen zu fällen sind
und wer, wie ich, aus eigener Erfahrung kennt, mit welchen Verwundungen
Bisonten und Gabelböcke in den Prairien Nordamerika’»
auf Nimmerwiedersehen entgehen, wird sich noch weniger verwundern.
In der Jurte erschienen aber auch bald andere Gäste oder vielmehr
Diejenigen, deren Gäste wir waren, das heisst, die kirghisischen
Häuptlinge, welche ihre Staatsjurten zur Aufnahme des Gouverneurs,
seines Gefolges und der Fremdlinge bereitgestellt und ihren Stolz
darin gesetzt hatten, Alles so köstlich als möglich herzurichten.
Nach orientalischer Sitte die Schuhe am Eingänge ausziehend, nahten
sie in ehrerbietiger Haltung vor dem Gouverneur, der sie leutselig,
wie immer, zum Thee einlud, was als grosse Auszeichnung betrachtet
wird. Auch diese Häupter der Steppe waren voll von den Ereignissen
der Jagd, liessen es aber nicht an ihren eigenen Worten
genügen, sondern entboten einen berühmten Barden ihres Volkes,
der die Thaten besingen musste. Der Gesang war freilich ebenso
einförmig und melodienarm als die Begleitung mit einer Art höchst
primitiver Schlagzither, nach Art der russischen Balalaika, aber um
so bilderreicher die Worte des Sängers. Freilich verstanden wir
nichts von denselben, aber die gegebene Uebersetzung zeigte, dass
der gewandte Improvisator nicht allein den Gouverneur und seine
Gemalin, nebst der holden Tochter, sondern auch die fremden. Gäste
und vor Allem den Löwen des Tages, den glücklichen Schützen,
Freund Brehm, zu verherrlichen bestrebt war, was den Zuhörern
der Vorträge des Letzteren zur Genüge von der „rothen Zunge“
bekannt sein wird. Die Kirghisen haben bekanntlich, getragen von
Improvisatoren, eine sehr entwickelte Volkspoesie, die sich von
Geschlecht zu Geschlecht erhalten hat und aus welcher der kundige
Radloff eine so schöne Blumenlese sammelte. Das Gedicht, welches
die Thaten deA Helden Kusu-Kerpetsch, der der Sage nach unweit
Ajagus (dem heutigen Sergiopol) begraben liegt, und seine Liebe
zur schönen Bajan-ssula, der Tochter des Kirghisensultans, schildert,
enthält nicht weniger als 1365 Verse und gefällt eben so sehr durch
Einfachheit der Erzählung, als durch den nicht selten wahrhaft
poetischen Inhalt.
Vermuthlich hat der kirghisische Liederschatz seit unserem
Aufenthalt in den Ar catbergen eine neue Perle erhalten, die zwar
nicht von Liebe und Liebesabenteuern, sondern von dem Jage
glück des Fremdlinges mit der Adlernase und den Falkenaugen
handelt. Aber die kirghisische Poesie scheint wirklich mit aben
ländischer Höflichkeit gepaart, denn ich habe nicht erfahren, dass
a7 jenem Abende auch des wackeren Adil Chan Dschamanteiof,
des Besitzers der Arcatberge gedacht worden wäre. Und erwar
doch der treffliche Schütze, der den stattlichen Widder erlegt hat^
welcher uns gleich bei Ankunft überraschte, und zwar ohne ein
Gewehr aus der Fabrik der Hoflieferanten Timpke und Leu, sondern
nur mit seiner primitiven unfeiner Gabel ruhenden einläufigen
Tula-Büchse für 10 bis 15 Rubel. I Der brave Mann mit dem Gewehr der Hand, nebst dem erlegten Widder (nicht Schaf), einer Photographie
der Frau Generalin Poltoratzky entlehnt, stellt diesen tüchtigen
Schützen und seine Beute dar und ist die einzige Originalfigur m
dem Bilde zur Gartenlaube (No. 41. 1877), in welcher Dr. Brehm
mit bekannter Meisterschaft „Jagden in der Steppe schildert.
Der dritte Tag, zugleich unser Abschiedstag m den Arcatbergen,
brachte neben den practischen Obliegenheiten (Präpanren der Ar-
chare u s, w.) auch Festlichkeiten, wie sie uns spater nicht mehr
vorgeführt wurden. Die Nachricht, das der Gouverneur m den
Arcatbergen jage, hatte sich wie ein Lauffeuer durch die Steppe verbreitet
und von Nah und Fern eilten die kirghisichen Grossen her-
hei, um dem allgemein beliebten Chef ihren Respect zu erweisen.
Und sie kamen nicht allein , sondern erschienen mit zah reichem
Gefolge, darunter Volksdichter, ausgezeichnete Schutzen, Falcomere,
auserwählte Renner und die eigentümlichen Windspiele. Letztere,
„Tasy“ genannt, ähneln in etwas den zottigen schottischen, haben aber
nur an den Ohren, dem Unterteil der Schenkel sowie am Schwänze
langes Haar. Nach den wenigen Exemplaren die wir zu sehen
bekamen, sind es unansehnliche, hässliche Thiere aber sie sollen
bei der Jagd auf Steppenantilopen (Saiga’s) ausgezeichnet sein. Doch
bekamen wir davon keine Proben zu sehen, ebenso wenig als von
der Fertigkeit der Baitzvögel, von denen wenigstens einer vertreten
war. Und zwar wird von den Kirghisen als solcher kern geringerer
trainirt als der König der Lüfte, der Steinadler. as ga rei ic
ein ganz anderes Bild, als man es nach den Vorstellungen aus der
Blütezeit unserer Ritterschaft sich eingeprägt hatte. Der Mann
im schlechten Kaftan und der sonderbaren pelzverbramten Kappe
erinnerte wenig an jene stattlichen Gestalten des Mittelalters, gewahrte